DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 10/2023

energie | wasser-praxis 10/2023 www energ e-wasser-prax s de energie | wasser-praxis 1 Wasser | Aufbere tung Dezentrale Wasserenthärtung mittels Ionenaustausch Versorgung | Gas Projektbericht zum Bau der Gasanbindung Wilhelmshaven-Leer Tr nkwasser | Versorgung Zur Ökobilanz von Trinkwasser und Mineralwasser in Deutschland 74 Jahrgang | Oktober 2023 | ISSN 1436-6134 F r den W nter ger stet d nk D vers z er ng www.primusline.com Vorteile des Primus Line® Systems • Geringer Tiefbauaufwand mit kleinen Baugruben und kurzen Installationszeiten • Begrenzter Maschineneinsatz • Große Einzugslängen von 2.500 Metern am Stück und mehr • Bogengängigkeit bis 45° • Verlängerung der Nutzungsdauer um mindestens 50 Jahre Grabenlose Sanierung von Druckrohrleitungen in sensiblen Umgebungen zuverlässig | flexibel | umweltfreundlich

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energie | wasser-praxis 10/2023 www.energie-wasser-praxis.de energie | wasser-praxis 10 Wasser | Aufbereitung Dezentrale Wasserenthärtung mittels Ionenaustausch Versorgung | Gas Projektbericht zum Bau der Gas- anbindung Wilhelmshaven-Leer Trinkwasser | Versorgung Zur Ökobilanz von Trinkwasser und Mineralwasser in Deutschland 74. Jahrgang | Oktober 2023 | ISSN 1436-6134 Für den Winter gerüstet dank Diversifizierung

Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. www.dvgw.de/hydrogen-dialogue l Aus der Wasserstoffgemeinschaft. Für die Wasserstoffgemeinschaft. 06. – 07. Dezember 2023 #TalkAboutHydrogen Wir freuen uns auf Ihren Besuch! Standnr. 10.0-110 Messezentrum Nürnberg

Gasnetzgebietstransformationsplan trifft Wärmeplanungsgesetz: ein Schlüssel zur Klimaneutralität! Liebe Leserinnen und Leser, die Energiewende in Deutschland ist mehr als nur ein Paradigmenwechsel. Es handelt sich um eine umfassende Transformation, die fundamentale Fragen zu unserer gesamten Energieinfrastruktur und -strategie stellt. Die jüngste Veröffentlichung des Ergebnisberichts zum Gasnetzgebietstransformationsplan (GTP) 2023 durch H2vorOrt setzt hierzu nicht nur ein Zeichen, sondern ein Ausrufezeichen: Die Wasserstoffeinspeisung in die Verteilnetze wird bis 2030 zur Realität, und bis 2035 werden erste 100-prozentige Wasserstoffnetze in großen Teilen unseres Landes zum Einsatz kommen. Dies ist ein ehrgeiziges, aber machbares Ziel, das die Branche mit Entschlossenheit und Vision verfolgt. Wer hätte noch 2020 gedacht, dass sich die Gasverteilnetzbetreiber in so kurzer Zeit und mit einer solchen Geschwindigkeit auf den Weg in die Klimaneutralität machen? Die beeindruckende Beteiligung von 241 Gasverteilnetzbetreibern und die Abdeckung von über 415.000 km Gasverteilnetz unterstreichen das Engagement und den Willen der Branche, den Weg zur Klimaneutralität zu beschreiten. Mit dem GTP haben wir nun das zentrale Planungsinstrument zur Verfügung, um die Transformation vor Ort zu beschleunigen und der Politik zu zeigen, wie ernst wir dieses Thema nehmen. Es ist ermutigend zu sehen, dass nicht nur die Industrie, sondern auch unsere Kommunen, die das Herz und die Seele unseres Landes ausmachen, an diese Vision glauben. Mehr als drei Viertel der rund zweitausend befragten Großkunden setzen auf Wasserstoff als zukunftsfähige Energiequelle. Und von den rund eintausend befragten Kommunen setzen nur rund fünf Prozent nicht auf den Einsatz klimaneutraler Gase – ein Beweis für das steigende Bewusstsein im Hinblick auf einen zielorientierten Klimaschutz auf lokaler Ebene. Die klare Unterstützung für Wasserstoff und Biomethan aus Industrie und Kommunen sendet ein starkes Signal an unsere politischen Entscheidungsträger. Es ist jetzt an der Zeit, dass der Bundestag diese Signale aufgreift, den GTP in das Wärmeplanungsgesetz integriert und ihn den Transformationsplänen für die Fernwärmeversorgung gleichstellt. Eine solche Integration ist nicht nur aus technischer und Versorgungssicht sinnvoll, sondern auch, um den sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen der Energiewende gerecht zu werden. Das sieht auch das Umweltbundesamt so und schreibt in seinem Bericht „Transformation der Gasinfrastruktur zum Klimaschutz“: „Mit der Erstellung von GTPs sollte möglichst zeitnah durch jeden Gasverteilnetzbetreiber begonnen werden, da sie die Basis für ein kohärentes Zielbild der deutschen THG-neutralen Gasinfrastruktur der Zukunft sind. Zudem liefern die Erkenntnisse der ersten Schritte einen wichtigen Input für die Erstellung der kommunalen Wärmeplanung, deren Ergebnisse dann wieder in die finalen GTPs einfließen.“ Es geht aber nicht nur darum, die beiden Schlüsselstrategien kommunale Wärmeplanung und GTP zu verknüpfen, sondern auch um die Notwendigkeit, die begleitenden Themen wie das Konzessionsrecht und die Anbindung der Verteilnetze an das H2-Kernnetz proaktiv und visionär anzugehen. Wenn wir eine kohärente, sichere und zukunftsfähige Energie- und Wärmeversorgung für Deutschland schaffen wollen, müssen wir alle Aspekte der Transformation berücksichtigen. Wenn uns dies gelingt, kann Deutschland eine Vorreiterrolle für die Wasserstoffversorgung in Europa übernehmen. Aktuell befinden wir uns an einem entscheidenden Punkt der Energiewende. Die nächsten Schritte erfordern Zusammenarbeit, Vision und Entschlossenheit. Mit kohärentem Handeln von Industrie, Kommunen, Versorgern und Politik haben wir die Chance, das Fundament für ein sicher versorgtes und wirtschaftlich erfolgreiches Deutschland in einer klimaneutralen Zukunft zu schaffen. Ich freue mich darauf, dies mit Ihnen zusammen anzugehen! Ihr Florian Feller von: Florian Feller Vorsitzender H2vorOrt 3 energie | wasser-praxis 10/2023 ED I TOR I AL

INHALT 10/2023 Titel Quellen: Julien Eichinger/salim138/Volodymyr/stas111/stock.adobe.com 14 Zum Bau der Gasanbindung Wilhelmshaven-Leer (GWL) 60 Online-Durchflusszytometrie für Wasseraufbereitung im Schweizer Kanton Wallis 70 Aktivkohle auf Basis von Kokosnussschalen für Wasserwerke 104 Ich mach was mit … 14 Versorgungssicherheit Gas Ab Seite 74 60 104 70 Beilagenhinweis: Dieser Ausgabe liegt eine Beilage der Ernst Heitland GmbH & Co. KG bei. 3 | EDITORIAL 6 | NACHRICHTEN TECHNIK 14 | EWE-Zukunftsleitung in Rekordgeschwindigkeit geplant und genehmigt • Arnd Kleemann, Thorsten Soppa, Werner Müller, Gregor Stanislowski INTERVIEW 22 | „Es gibt bereits heute eine reale Nachfrage nach grünem Wasserstoff!“ • Die Redaktion im Gespräch mit Klaus Horstick (Trianel GmbH) 26 | Klimaneutralität in der Wasserversorgung: alles nur noch eine Frage der Umsetzung? • Kristina Wencki, Anja Rohn, Katharina Fesch 30 | Ökobilanz von Trinkwasser und Mineralwasser in Deutschland • Niels Jungbluth, Christoph Meili 38 | Ökologische Bewertung einer dezentralen Enthärtung mittels Ionenaustausch • Dr.-Ing. Thomas Hillenbrand, Dr. Johannes Schuler, Dr.-Ing. Felix Tettenborn 48 | Konzepte für eine blau-grüne Infrastruktur im innerstädtischen Bestand • Prof. Dr.-Ing. Ulrich Dittmer, Dr.-Ing. Christian Scheid, Florian Wilhelm, Ralf Minke, Till Böhm, Dr.-Ing. Eduard Rott 54 | Das Leitungsauskunftsverfahren in Deutschland – Das sollten Sie wissen! • Jan Syré, Dr. Eva Benz, Markus Heinrich 60 | Online-Durchflusszytometrie: Automatisieren, um die Trinkwasserqualität auch bei Starkregenfällen zu gewährleisten • Grégoire Jacquemettaz, Daniel Claret, Sara Ferdi, Vivian Hauss, Jannick Göller 68 | Marktübersicht Trinkwasser SPEZIAL 4 energie | wasser-praxis 10/2023

FORSCHUNG & ENTWICKLUNG 70 | Aktivkohle im Wasserwerk: Wie Kokosnussschalen die Steinkohle ersetzen können • Markus Klemann, Dr. Brigitte Haist-Gulde 74 | Das neue DVGW-Speicherreichweitentool und die Bedeutung von LNG- Regasifizierungskapazitäten für einen sicheren Winter 2023/24 • Frank Dietzsch, Dr. Stefan Gehrmann, Björn Munko, Prof. Dr. Gerald Linke 84 | Vereinfachte Auslegung unterirdischer Rohrleitungssysteme gegenüber Erdbeben in Deutschland • Soumitra Chatterji, Thomas Kubalski, Christoph Butenweg, Jochen Stratmann, Christian Engel TECHNISCHE REGELN & NORMEN 92 | Ankündigung zur Fortschreibung des DVGW-Regelwerks 92 | Fortschreibung des DVGW-Regelwerks DVGW AKTUELL 94 | Mit fachlichen und personellen Informationen und Nachrichten aus der Vereinsarbeit sowie Terminen und Veranstaltungen VERANSTALTUNGEN 102 | DVGW-Veranstaltungsvorschau für Oktober und November 2023 ARBEITS | welten 104 | Ich mach was mit Stromnetzen BILDUNGS | WELTEN 106 | Einfach und praktisch – neues Prüfausweissystem (PAS) von DVGW und rbv bietet viele neue Vorteile! 108 | PRAXIS & PRODUKTE SERVICE 109 | Rohrleitungsbauunternehmen 110 | Bezugsquellen 114 | Impressum energie | wasser-praxis 10/2023 verkauf@lovibond.com www.lovibond.com Lovibond®Water Testing Trübung Kompetenz in Trübung neu! durch Einsatz der Multipath 90° BLAC®* Technologie * BLAC® BackscatteredLight AbsorbingCavity Laborgenauigkeit als tragbare Lösung für die Trübungsmessung Innovative Streulicht Eliminierung Höchste Genauigkeit über den gesamten Bereich Messbereich: 0,01 - 4.000 NTU TB350

VERANSTALTUNGSTIPPS GW 118: 5. Dezember 2023, online GW 115: 6. Dezember 2023, online Digitale Netzdokumentation Die Veranstaltungsreihe bildet die einheitlichen Standards für Versorgungsunternehmen zur Erstellung einer qualitativen digitalen Netzdokumentation ab. Neben der inhaltlichen Darstellung der Merkblätter erfahren Sie alles rund um Methoden und Werkzeuge sowie zu Strategien der Qualitätssicherung. Erstmalig folgt abschließend für dieses Veranstaltungsjahr das „DVGW-Arbeitsblatt GW 115 – Metasystematik zur Netzauskunft“. www.dvgw-kongress.de/ digitale-netzdokumentation 14. November 2023, online Prüfung von Energieanlagen auf Explosionssicherheit gemäß BetrSichV Nach der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), §§ 15, 16 und Anhang 2, Abschnitt 3, Nrn. 4.1 und 5.1, sind Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen vor der erstmaligen Inbetriebnahme, nach prüfpflichtigen Änderungen und wiederkehrend mindestens alle sechs Jahre auf Explosionssicherheit zu prüfen. Diese Veranstaltung vermittelt kompakt die Anforderungen an die Prüfung von Energieanlagen der Gasversorgung. www.dvgw-kongress.de/explosionsschutz 18. & 19. Juni 2024, Hamburg EGATEC 2024 Die EGATEC 2024 bringt hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der europäischen Gasindustrie von Universitäten, Unternehmen und anderen Interessensgruppen zusammen. Die Konferenz bietet eine Plattform zum Wissens- und Erfahrungsaustausch für die europäische Gasindustrie. Sie wird unter der Schirmherrschaft von MARCOGAZ und GERG organisiert und findet am 18. und 19. Juni 2024 in Hamburg statt. Gastgeber sind DGC, DVGW und Gasunie. www.egatec-conference.com InfraSPREE am 17./18. Oktober: Branchentreff in Berlin F Die InfraSPREE ist nach dem erfolgreichen Auftakt 2022 in der Brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam turnusmäßig zurück in Berlin. Am 17. und 18. Oktober 2023 erwartet Interessierte in der Kulturbrauerei im Stadtteil Prenzlauer Berg ein breites Ausstellerangebot und ein umfangreiches Kongressprogramm. Den Start bilden ein Grußwort von Manja Schreiner, Berliner Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt sowie eine Keynote von Prof. Christoph Donner, Vorstandsvorsitzender der Berliner Wasserbetriebe. Im Rahmen des Kongresses folgen die Themenschwerpunkte in diesem Jahr den aktuellen Diskussionen rund um das Thema Wasser und Infrastruktur, vor allem die wasserbewusste Stadtentwicklung in Theorie und Praxis steht im Fokus. Neben zahlreichen Vorträgen sind zwei Exkursionen zu Berlins aktuell größtem Wohnbauvorhaben geplant. Darüber hinaus werden im Kontext des Themenbereichs Digitalisierung Start-ups Neuerungen für die Baustelle präsentieren, praxiserprobte Experten jedoch auch notwendige digitale Schutzmaßnahmen vorstellen. Beim Rohrleitungsbau und der Kanalsanierung sind zusätzlich zu praxisrelevanten Berichten auch Neuigkeiten aus dem Regelwerk zu erwarten. Einen weiterführenden Blick in den zukünftigen Auf- und Ausbau kritischer Infrastrukturen in Zeiten des Klimawandels wirft der gleichnamige, vom DVGW organisierte Themenblock. Das Begleitprogramm wurde nochmals erweitert: Neben der nachgefragten Leitungsbau-Challenge der Auszubildenden ist in diesem Jahr auch noch ein Bagger-Challenge für die Gäste geplant. Zusätzlich findet ein von der Brandenburger Digitalagentur veranstalteter Innovationsworkshop für Kommunen statt. Am Abend des ersten Kongresstages sorgt der InfraSPREE Netzwerkabend mit der Verleihung der Preise der Berliner und Brandenburger Wasserwirtschaft, dem AQUA AWARD und dem AQUA SCIENCE AWARD für Abwechslung. Weitere Informationen zur InfraSPREE gibt es unter www.infraspree-kongress.de. P Quelle: InfraSpree 6 energie | wasser-praxis 10/2023 NACHRICHTEN

Erstes Ergebnis der Normungsroadmap Wasserstofftechnologien veröffentlicht F Die aktuell verfügbaren technischen Regeln und Normen für WasserstoffTechnologien sind erstmals in einer öffentlich zugänglichen Datenbank gebündelt. Sie umfasst 919 Dokumente und repräsentiert den aktuellen Stand der technischen Regelsetzung auf diesem Gebiet. Mehrere Hundert Expertinnen und Experten in 39 thematischen Arbeitsgruppen haben hierzu im Rahmen ihrer Arbeiten an der „Normungsroadmap Wasserstofftechnologien“ die bestehende Normungslandschaft analysiert. Das Ergebnis ist eine thematisch sortierte Übersicht technischer Regeln, die den Wasserstoff-Markthochlauf aktiv unterstützen kann. Die Datenbank bildet dabei die komplette Wertschöpfungskette der zukünftigen Wasserstoff-Wirtschaft ab. Für das Verzeichnis wurde das gesamte nationale und internationale technische Regelwerk nach relevanten Normen und Dokumenten der technischen Regelsetzung gescannt und ausgewertet. Die insgesamt 919 Regelwerke der Datenbank umfassen 626 nationale, europäische und internationale Normen, zwölf Technische Regeln, 30 Technische Spezifikationen, 31 Technische Berichte, 19 VDI-Richtlinien und 99 Regeldokumente des DVGW. Ergänzend zu den bereits bestehenden und im Verzeichnis gelisteten Dokumenten identifizieren die Arbeitsgruppen der Normungsroadmap Wasserstofftechnologien aktuell Bedarfe zu fehlenden technischen Regeln. Im Rahmen des Projekts sollen noch in diesem Jahr erste Umsetzungsprojekte angestoßen werden, um diese Lücken schnellstmöglich zu füllen. Die fertige Roadmap wird im Sommer 2024 erscheinen. Das Projekt Normungsroadmap Wasserstofftechnologien ist eine gemeinsame Initiative des Deutschen Instituts für Normung e. V. (DIN), der Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE), des DVGW, des Vereins für die Normung und Weiterentwicklung des Bahnwesens e. V. (NWB), des Verbands der Automobilindustrie (VDA), des Vereins Deutscher Ingenieure e. V. (VDI) sowie des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA). Es wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Mehr über das Projekt sowie zu den beteiligten Projektpartnern sind auch auf der Projektwebsite www.normungsroadmap-h2.de zu finden. P Rund 500.000 t grünen Wasserstoff hat der französische Energiekonzern Totalenergies Mitte September 2023 für die Versorgung seines europäischen Raffinerieparks ausgeschrieben. Mit diesen Mengen könnte das Unternehmen die Klimabilanz seiner sechs Raffinerien, darunter auch die des Standorts in Leuna bei Leipzig, deutlich verbessern – denn aktuell deckt der Konzern seinen H2-Bedarf noch mit „grauem“ erdgasbasiertem Wasserstoff. Zwar ist derzeit noch unklar, ob Totalenergies diese Menge an grünem Wasserstoff überhaupt am Markt bekommen kann. Nichtsdestotrotz hat die Ausschreibung das Potenzial, der europäischen Wasserstoffwirtschaft einen gewaltigen Impuls zu verleihen. „Wir hoffen, auf diese Weise von den wettbewerbsfähigsten Lösungen profitieren zu können, die von verschiedenen Anbietern weltweit entwickelt wurden, und bieten ihnen die Möglichkeit, Zugang zu mittel- und langfristigen Verträgen mit Totalenergies zu erhalten,“ wird Konzernchef Patrick Pouyanné zitiert. P ZAHL DES MONATS energie | wasser-praxis 10/2023 WENN ERFAHRUNG DEN UNTERSCHIED MACHT ... KROHNE DRUCKMESSTECHNIK – FÜR DEN FEINEN UNTERSCHIED Erfahren Sie mehr über die OPTIBAR Serie: druckmesstechnik-wasser.krohne.com • 100 Jahre Erfahrung und breites Anwendungswissen in der Industrie • Know-how unserer Ingenieure und Techniker über alle Messprinzipien hinweg • Vollständiges Engineering von der Auslegung bis zur Lieferung und Dokumentation • Uneingeschränkter Einsatz in Trinkwasseranwendungen • Breite Auswahl an branchen- spezifischen Drucktransmittern, Druckmittlern und Wirkdruckgebern

3. Mitteldeutscher Wasserstoffkongress in Leipzig Mitteldeutschland fordert mehr Tempo beim Aufbau der grünen Wasserstoffwirtschaft F Die mitteldeutsche Wirtschaft ist bereit für den Einstieg in die grüne Wasserstoffwirtschaft - Damit dieser gelingt, braucht es allerdings beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren für Grünstrom und den Bau neuer Strom- und Gastrassen sowie verlässliche politische Rahmenbedingungen für Investitionen in Wasserstoffprojekte. Dies war der einhellige Tenor auf dem 3. Mitteldeutschen Wasserstoffkongress, zu dem Ende August über 300 Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung auf Einladung der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland und des Wasserstoffnetzwerkes HYPOS zusammenkamen. Im Rahmen der zentralen Wasserstoff-Veranstaltung Mitteldeutschlands adressierten rund 30 Referentinnen und Referenten in Vorträgen, Pitches und Podiumsdiskussionen die Themen Infrastruktur und Wertschöpfung, kritische Erfolgsfaktoren für den Markthochlauf von grünem Wasserstoff, internationale Märkte, dezentrale Wasserstofflösungen für den Mittelstand sowie die Marktvorbereitung und Finanzierung. Darüber hinaus stellten mehr als ein Dutzend Unternehmen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen den aktuellen Stand ihrer Wasserstoffvorhaben vor. Am Rande des 3. Mitteldeutschen Wasserstoffkongresses vereinbarten der HYPOS e. V., die Sächsische Agentur für Strukturentwicklung (SAS) und das LHyVE-Konsortium (Leipziger Gruppe, VNG AG, EDL und ONTRAS), beim Aufbau der mitteldeutschen Wasserstoffwirtschaft zukünftig eng zusammenzuarbeiten. Anlässlich der Veranstaltung veröffentlichten die Europäische Metropolregion Mitteldeutschland und HYPOS auch die 3. Auflage des Mitteldeutschen Wasserstoffatlas. Die 108 Seiten umfassende Publikation gibt mit rund 90 Projekten und Akteuren in den Bereichen Infrastruktur, Wertschöpfung, Forschung und Netzwerke einen umfassenden Überblick zu den aktuellen Wasserstoffaktivitäten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. P Quelle: Tom Schulze 8 energie | wasser-praxis 10/2023 NACHRICHTEN

Quelle: Thomas Ecke 450connect kooperiert mit KKI Zusammenarbeit mit Spezialisten für Meldestellen- Dienstleistungen im KRITIS-Sektor F 450connect und die KKI – Kompetenzzentrum Kritische Infrastrukturen GmbH arbeiten künftig zusammen. Das Kölner Unternehmen 450connect baut und betreibt eine ausfallsichere Plattform zur Digitalisierung der kritischen Infrastrukturen in Deutschland. Die KKI mit Sitz in Berlin betreibt eine zentrale Meldestelle zur Störungsannahme für Stadtwerke, Netzbetreiber sowie Wasser- und Abwasserzweckverbände. Zusammen bieten die beiden Unternehmen ihren Kunden nun professionelle Unterstützung rund um die Uhr. Während der 450connect-Kundenservice alle Vertragspartner des Unternehmens zu den üblichen Geschäftszeiten betreut, übernimmt KKI die Annahme und Qualifizierung von Störungsmeldungen nachts und an Wochenenden. Für die Betreiber kritischer Infrastrukturen wie Unternehmen der Energie- und Wasserwirtschaft sind leistungsfähige Kommunikationslösungen unerlässlich. Daher haben sie hohe Anforderungen an Sicherheit, Zuverlässigkeit ebenso wie Funktionalität und Verfügbarkeit von Kommunikationslösungen, sowohl im alltäglichen Betrieb als auch in kritischen Situationen, in denen öffentliche Netze nicht mehr zur Verfügung stehen. Diese Anforderungen erfüllt das 450-MHz-Netz, das allen Unternehmen der kritischen Infrastruktur ausfallsichere Sprach- und Datenkommunikation mit einer hervorragenden Flächen- und Gebäudeversorgung anbietet. Die passgenaue Lösung wird 2025 deutschlandweit zur Verfügung stehen: Das LTE450-Funknetz hat im März dieses Jahres seinen Testbetrieb für die Anwendungsfälle Smart Grid, Smart-Meter-Gateway und betriebsinterne, mobile Sprach- und Datenkommunikation aufgenommen. Die KKI ist mit ihrem Kerngeschäft seit mehr als zwölf Jahren als Dienstleister auf das Entstörungsmanagement und die Betreuung von Stadtwerken und Netzbetreibern spezialisiert. Die Meldestelle kann mit einer Feuerwehr- oder Notrufzentrale verglichen werden, in der Fachkräfte im 3-Schicht-System rund um die Uhr Anrufe und Systemmeldungen entgegennehmen. So werden im Jahr durchschnittlich 30.000 Einsätze professionell koordiniert. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit 450connect werden zukünftig über einen kurzen Fragenkatalog Kontakt- und Ortsdaten sowie die Störungsmeldung abgefragt. Auf Basis dieser Informationen werden die mit 450connect abgestimmten Maßnahmen von der KKI-Meldestelle umgesetzt. Das Anliegen wird klassifiziert und je nach Dringlichkeit unverzüglich die technische Leitstelle informiert und die Fehlerbehebung in Auftrag gegeben. Der zugrundeliegende Prozess ist explizit auf die Energie- und Wasserwirtschaft zugeschnitten. P IWW Zentrum Wasser an der Spitze wieder komplett Neuer Geschäftsführer für die IWWBeratungsgesellschaft F Seit dem 1. September ist die Geschäftsführung des IWW Zentrums Wasser wieder komplett. Dr. Hans Ulrich Dahme hat die Geschäfte der IWW-Beratungsgesellschaft übernommen und führt nun zusammen mit Kristina Wencki (verantwortlich für die Forschung) die Geschicke des IWW Zentrums Wasser. Dr. Dahme studierte Chemie an der Universität Duisburg-Essen und promovierte anschließend im Bereich Ingenieurwesen. Zunächst als Key Account Manager angestellt, übernahm er später die Umsatzverantwortung für mehrere Standorte bei SGS-INSTITUT FRESENIUS. Danach war er als strategischer Vertriebsleiter und für die Produktentwicklung bei Eurofins verantwortlich. P 9 energie | wasser-praxis 10/2023

Quelle: H2vorOrt F Der zweite Gasnetzgebietstransformationsplan (GTP) ist fertig, er wurde am 11. September 2023 im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt. Die Ergebnisse sind ermutigend: Die Mehrheit der teilnehmenden Netzbetreiber plant, bis 2030 mit der Wasserstoffeinspeisung in die Verteilnetze zu beginnen. Darüber hinaus sollen in weiten Teilen Deutschlands erste 100-prozentige Wasserstoffnetze bis 2035 existieren. „Wenn wir die Transformation der Gasinfrastruktur schaffen, lösen wir einen relevanten Teil der Mammutaufgabe Klimaneutralität“, sagte Florian Feller, Vorsitzender der Initiative H2vorOrt bei der Vorstellung des GTP. Aus seiner Sicht sei die Bereitschaft der Branche, das Ziel Klimaneutralität engagiert anzugehen, riesig. Insgesamt haben sich 241 Gasverteilnetzbetreiber am GTP 2023 beteiligt. Deutschlandweit decke man über 415.000 km Gasnetze in 381 von 401 Landkreibis 2030 bis 2035 bis 2040 bis 2045 100% klimaneutrales Methan in 2045 Keine Beteiligung Zeitpunkt erster H2-Einsatz in Umstellzonen Darstellung auf Landkreise „gerundet“: Landkreise wurde jeweils auf Basis der ersten sie schneidenden Umstellzone eines Netzbetreibers, die das Kriterium erfüllt, eingefärbt. sen ab, so Feller. Die Analyse habe zudem ergeben, dass viele Netzbetreiber von einem gleichzeitigen Einsatz von Biomethan oder anderem klimaneutralem Methan ausgehen. Erstmals definiert der GTP auch Zielzustände im Jahr 2045, dem Jahr der anvisierten deutschen Klimaneutralität: Dann wird nach Einschätzung von H2vorOrt Wasserstoff in fast ganz Deutschland zum Einsatz kommen. Viele Netzbetreiber gehen zudem von einem gleichzeitigen Einsatz von Biomethan oder anderem klimaneutralem Methan aus. Von zentraler Bedeutung für den GTP ist die Kundensicht. Aus dem Bericht geht hervor, dass nur fünf Prozent der für den GTP knapp 1.000 befragten Kommunen der Ansicht ist, auf klimaneutrale Gase verzichten zu wollen. Die Mehrheit sieht diese klar als wichtigen Baustein der Energiewende. Auch in der Industrie ist das Interesse groß: Von knapp 2.000 befragten Großkunden setzen mehr als drei Viertel auf Wasserstoff. 29 Prozent der Kunden wollen den Wasserstoff bereits bis zum Jahr 2030, weitere 30 Prozent erwarten die Umstellung in den 2030erJahren. Aber auch zum Thema Biomethan sprechen die Ergebnisse des GTP laut Florian Feller eine klare Sprache: Die Teilnehmer haben in 2022 gesammelt mehr Einspeisebegehren erhalten, als es Einspeiseanlagen im Bestand gibt. Im technischen Bereich wurde der Schwerpunkt der Analyse 2023 auf die Leitungskomponenten gelegt. Hierbei gibt es keine grundlegenden Hindernisse für eine Netztransformation. Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender DVGW, sieht nun die Politik am Zug: „Die Ergebnisse des GTP zeigen klar, dass die Transformation der Gasverteilnetze zu Wasserstoff eine entscheidende Rolle nicht nur für die Industrie, sondern auch für die kommunale Wärmeplanung haben wird. Mit der Aufnahme in das DVGW-Regelwerk ist der GTP fester Bestandteil der Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik gemäß Energiewirtschaftsgesetz.“ Es sei daher nur folgerichtig und dringend geboten, dass der Bundestag den GTP nun den TransforMehrheit der Netzbetreiber will bis 2030 Wasserstoff einspeisen H2vorOrt veröffentlicht neuen Gasnetzgebietstransformationsplan In vielen Landkreisen soll es bereits 2030 erste Umstellzonen auf reinen Wasserstoff geben. 10 energie | wasser-praxis 10/2023 NACHRICHTEN

mationsplänen der Fernwärmeversorgung in zentralen Punkten gleichstelle, so Linke. Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des VKU, betonte die Rolle des GTP für die Kommunen: „Dass nur 5 Prozent der befragten Kommunen keinen Einsatz von klimaneutralen Gasen sehen, zeigt deutlich, wie sich die Realität von isolierten Studien unterscheidet. Erneuerbare Gase werden oft für die Wärmewende und die Arbeitsplätze vor Ort eingeplant.“ Das Gasnetz sei eine wichtige Säule der kommunalen Versorgung. Das Konzessionsrecht müsse transformationsgerecht umgestaltet werden, eine unternehmerische Trennung zwischen Gas- und Wasserstoffnetzen, wie sie auf europäischer Ebene bislang noch von der Kommission angedacht sei, dürfe nicht kommen, so Liebing. Nach Aussage von Florian Feller ist es Ziel des GTP, eine investitionsfähige Planung zu ermöglichen. Nur die Verteilnetzbetreiber seien in der Position, den notwendigen Brückenschlag zwischen Wasserstoff-Backbone und den Endverbrauchern vor Ort zu machen. Durch die Abstimmung der konkreten Bedarfe vor Ort mit der Belieferung durch die vorgelagerten Netzbetreiber würden sie zum Garanten für eine kohärente und zielkonforme Transformation unter Aufrechterhaltung der sicheren Versorgung, so Feller. Darüber hinaus hat Feller auch zum Wasserstoff im Wärmemarkt eine klare Position. „Die Industrie ist das Zugpferd, die Wärme sitzt gewissermaßen in der Kutsche dahinter“, sagte er. Wichtig sei, einen Bottom-upProzess zu gestalten. Es brauche sinnvolle Lösungen, die zur konkreten Situation vor Ort passen. Die vielen Studien, die den Einsatz von Wasserstoff im Wärmebereich allenfalls in der Nische sehen, sieht Feller kritisch. Er sei generell kein Freund von Studien, die Pauschalurteile abgeben. In den nächsten Jahren werde sich herauskristallisieren, was im Einzelnen vor Ort die beste Lösung sei. Der GTP werde dabei eine wichtige Inputgröße für die kommunale Wärmeplanung sein, an dessen Ergebnissen er sich zugleich zu orientieren habe. P +INFORMATIONS-PLUS D en Ergebnisbericht des GTP 2023 gibt es zum kostenfreien Download unter www.h2vorort.de Wasserstoffprojekt H2Direkt in Betrieb genommen F Mitte September ist in Markt Hohenwart im bayrischen Landkreis Pfaffenhofen das Pilotprojekt H2Direkt in Betrieb gegangen. Kern des Projektes ist die Umstellung eines bestehenden Erdgasnetzes auf 100 Prozent Wasserstoff. Insgesamt neun Privathäuser und ein Gewerbebetrieb werden künftig künftig mit reinem Wasserstoff für die Gebäudeheizungen versorgt. Der bayrische Wirtschaftsminister und Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger sieht darin den Auftakt für etwas Größeres: „Wenn es bei zehn geht, dann wird das auch bei 100 gehen, dann wird das auch bei 1.000 gehen, dann wird das auch bei 100.000 gehen." Bei der Energiewende müsse man „geistige Denkverbote durchbrechen. Wir brauchen jetzt die konkreten Akteure und müssen vernetzt denken“, so Aiwanger. Der DVGWVorstandsvorsitzende Prof. Gerald Linke hob die „wegweisende Bedeutung“ von H2Direkt hervor. Die Erkenntnisse dieses Pilotprojekts sollten rasch verbreitet werden, damit es Nachahmer finde. Linke betonte: „Die Frage, wie Deutschland in Zukunft heizt, wird konkret vor Ort und nicht in Berlin entschieden.“ „Wasserstoff ist ein Standortfaktor", sagte Marcus Böske, Sprecher der Geschäftsführung der Energie Südbayern GmbH (ESB). Um die Wasserstoffwirtschaft ins Laufen zu bringen, brauche man vor allem mehr von diesem Gas. Und man müsse auch an den Regeln arbeiten – hier könne, auch wenn sich das im Zusammenhang mit einem Knallgas vielleicht komisch anhöre, ein „Doppelwumms“ nicht schaden, fügte Böske an die Politik gewandt hinzu. Die Energie Südbayern GmbH (ESB) ist bei H2Direkt verantwortlich für die Umsetzung und technische Betreuung des Feldtests vor Ort. Auch Vertragliches und Abrechnung liegen bei ESB, die direkter Ansprechpartner der Testhaushalte ist. Die Energienetze Bayern GmbH & Co. KG (ENB) wiederum ist die Netzgesellschaft im Unternehmensverbund der ESB und der größte regionale Gasverteilnetzbetreiber in Südbayern. Die Unterstützung mit konzeptioneller und operativer Fachexpertise und Erfahrungen aus vorherigen Forschungsprojekten zur Umstellung von Verteilnetzen auf Wasserstoff übernimmt bei H2Direkt die Thüga AG. Das Wasserstoffnetz des H2Direkt-Projektes wird im Inselbetrieb angelegt: Ein Teil des bestehenden Erdgasnetzes wird vom Rest abgetrennt und separat mit Wasserstoff versorgt. Dafür ist kein Austausch der Rohre notwendig. Vor Ort werden ein Wasserstofftrailer und eine Einspeiseanlage aufgebaut, transportiert wird der Wasserstoff auf Lkw in Röhrenbündelspeichern. Die Einspeiseanlage enthält eine Druckregelung sowie eine Odorierungsanlage. Wie bei der konventionellen Gasversorgung, wird dem geruchlosen Wasserstoff ein Odoriermittel beigesetzt, das ihn bei einem eventuellen Gasaustritt über den Geruch wahrnehmbar macht. P +INFORMATIONS-PLUS H 2Direkt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und ist Teil von TransHyDE, einem von drei Wasserstoff-Leitprojekten des BMBF. Weitere Informationen hierzu finden Sie unter www.wasserstoff-leitprojekte.de. 11 energie | wasser-praxis 10/2023

Auch bei Journalistinnen und Journalisten stieß die gat | wat in Köln 2023 auf großes Interesse: Überregionale Leitmedien, u. a. das ZDF, RTL, die Welt, Reuters und der Tagesspiegel sowie zahlreiche weitere Fachmedien, waren vor Ort oder nahmen online an der Pressekonferenz teil. Ein ausführlicher Nachbericht zur gat | wat 2023 wird in der November-Ausgabe dieser Fachzeitschrift erscheinen. P Quelle: ZDF Wichtige Meilensteine für den Hochwasserschutz in der Region erreicht Ein Jahr „Interkommunale Hochwasserschutzkooperation Erft“ F Seit rund einem Jahr stellt die Interkommunale Hochwasserschutzkooperation (iHWSK) die Weichen für einen effektiven Hochwasserschutz in der Erftregion. Die Kooperation, die im Juni 2022 als Antwort auf das verheerende Hochwasserereignis von 2021 ins Leben gerufen wurde, besteht derzeit aus 16 Kommunen, drei Kreisen und dem Erftverband. Die iHWSK Erft hat sich zum Ziel gesetzt, Hochwasserschutz interkommunal – also von der Quelle bis zur Quelle: Erftverband Überörtlicher Hochwasserschutz: Vier Hochwasserrückhaltebecken (HRB) und ein sogenannter Hochwasserabschlag befinden sich in verschiedenen (Vor-)Planungsstadien 12 energie | wasser-praxis 10/2023 NACHRICHTEN

Der langjährige geschäftsführen- de Gesellschafter der Dräger & Howarde GmbH ist am 13. Juli 2023 im Alter von 74 Jahren verstorben. Nach über 16-jähriger beruflicher Tätigkeit bei der Hans Soldeck bzw. RBG Rohrnetzbau GmbH gründete der studierte Elektroingenieur Heinz Howarde zusammen mit seinem Partner Peter Dräger im Jahr 1991 die Dräger & Howarde GmbH mit Sitz in Iserlohn. Unter anderem auf dem Gebiet der Gas- und Wasserrohrnetzüberwachung tätig, legte Heinz Quelle: Familie Howarde Howarde einen Firmenschwerpunkt auf die Erfassung, Überprüfung und Sanierung von Freileitungssystemen. Als anerkannter Branchenfachmann wurden von ihm und seinen Mitarbeitern tausende von frei- und an Brücken verlegte Gas- und Wasserleitungen im gesamten Bundesgebiet und nahen Ausland überprüft und saniert. Die Fachwelt verliert mit Heinz Howarde eine Unternehmerpersönlichkeit mit Weitblick, Mut und Herz, die es über Jahrzehnte verstanden hat, Mitarbeiter zu begeistern und alle Herausforderungen zu meistern. Bis zuletzt stand er der Dräger & Howarde GmbH mit seiner Erfahrung und seinem Rat zur Seite und war mit dem Unternehmen untrennbar verbunden. P Nachruf auf Heinz Howarde Mündung – zu denken und umzusetzen. Dieser Ansatz spiegelt eine der wesentlichen Lehren aus der Hochwasserkatastrophe von 2021 wider und ist fest im Arbeitsplan des Umweltministeriums „Lernen aus dem Hochwasser – 10-Punkte-Arbeitsplan Hochwasserschutz in Zeiten des Klimawandels“ verankert. Seit der Gründung hat die iHWSK Erft die Inhalte kommunaler und interkommunaler Hochwasserschutzkonzepte in enger Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung Köln abgestimmt. Auf dieser Grundlage wurden Musterförderanträge und Leistungsbeschreibungen für die Mitgliedskommunen erarbeitet. Von bisher zwölf bei der Bezirksregierung eingereichten Förderanträgen zur Erstellung kommunaler Hochwasserschutzkonzepte wurden bis heute elf genehmigt. Als Folge haben nach Angaben des Erftverbandes bereits zehn Kommunen Ingenieurbüros mit der Umsetzung beauftragt. Parallel zur Erarbeitung der kommunalen Hochwasserschutzkonzepte arbeitet der Erftverband im Rahmen der iHWSK auch an Maßnahmen, die den überörtlichen Hochwasserschutz verbessern sollen. Dabei geht es um vier Hochwasserrückhaltebecken (HRB) und einen sogenannten Hochwasserabschlag, die sich in verschiedenen (Vor-)Planungsstadien befinden (siehe Grafik). Als Hochwasserabschlag wird eine spezielle Fläche bezeichnet, die überschüssiges Hochwasser von Hauptflüssen oder Gewässern ableiten kann, um die Auswirkungen von Überschwemmungen in gefährdeten Gebieten zu minimieren. P Trinkwasser: Forschungsprojekt belegt die Bedeutung des effektiven Ressourcenschutzes F Ein kürzlich durchgeführtes Forschungsprojekt zu Stoffen mit hoher Persistenz und Mobilität in der Umwelt macht deutlich, dass ein effektiver Ressourcenschutz Vorrang vor einer späteren Aufbereitung im Wasserwerk haben muss. Im Auftrag des Umweltbundesamtes gelang es unter Beteiligung des TZW, die Trinkwasserrelevanz anthropogener Chemikalien anhand ihrer Stoffeigenschaften und aus den zur Stoffregistrierung vorgelegten Daten abzuleiten. Die Kriterien dafür dienen der Zuordnung von Chemikalien unter der EU-Verordnung REACH. Die Verordnung vereinheitlicht das Chemikalienrecht europaweit und erhöht den Wissensstand über Gefahren und Risiken, die von Chemikalien ausgehen können. Im Rahmen des Projekts konnten die Forschenden trinkwasserrelevante Stoffe identifizieren. Vorliegende Monitoringdaten wurden hinsichtlich des Vorkommens von PMT/vPvM-Stoffen in Wasserressourcen ausgewertet. „Im Untersuchungsumfang waren Stoffe enthalten, über deren Vorkommen in der Umwelt bislang wenig bis gar nichts bekannt war“, sagte Dr. Karsten Nödler, Projektverantwortlicher am TZW. Besondere Beachtung schenkten die Forschenden zudem der Frage, ob diese Stoffe bei der Trinkwasseraufbereitung entfernbar sind. Dabei wurde deutlich, dass der vorbeugende Schutz der Wasserressourcen Vorrang haben muss, da eine Entfernung in der Wasseraufbereitung aufwendig, teuer und in einigen Fällen gar nicht mehr möglich ist. P 13 energie | wasser-praxis 10/2023

rungen oder auch die Reduzierung der Umweltstandards sind dabei häufig Forderungen der Politik wie auch der Vorhabensträger. Die Erfolgsfaktoren bei der Planung und Genehmigung der Gasanbindung Wilhelmshaven-Leer sind im Bereich der Trassenplanung, der Kommunikation, sammenspiel mit einer nachhaltigen Energieversorgung zu ermöglichen. Aktuell wird weiterhin intensiv darüber diskutiert, wie die Abläufe der Planung und Zulassung von Vorhaben in Deutschland beschleunigt werden können. Die Forderung nach neuen, beschleunigend wirkenden GesetzesändeAngesichts der Energiekrise und Energiewende sind innovative Lösungen gefragt, um für den Energiebedarf gut gerüstet zu sein und dabei gleichzeitig alle rechtlichen Anforderungen zu berücksichtigen. Der Bau der Zukunftsleitung ist vor diesem Hintergrund ein vielversprechendes Projekt, um Energiesicherheit im ZuWas sonst mehrere Jahre in Anspruch nimmt, soll jetzt in wenigen Monaten passieren: die Planung, Genehmigung und der Bau der EWE-Zukunftsleitung. Die etwa 70 km lange Gasanbindung Wilhelmshaven-Leer (GWL) wird ab 2024 in Wilhelmshaven ankommendes Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, kurz: LNG) nach der Regasifizierung vom Übergabepunkt Sande aus in den Raum Leer weitertransportieren. Steht kurzfristig noch die Versorgungssicherheit von umgerechnet rund 4 Mio. Haushalten im Fokus, so ist die Perspektive der H2-ready gebauten Leitung mittelfristig eine grüne: Schon Ende 2027 könnte die Umstellung der Zukunftsleitung auf Wasserstoff erfolgen. Damit wäre sie eine der ersten Leitungen, über die der importierte klimafreundlichere Energieträger in Deutschland transportiert werden kann. Das Mammutprojekt, das im Frühjahr 2022 startete, geht jetzt mit großen Schritten auf die Zielgerade zu. Ende des Jahres soll die Pipeline fertiggestellt sein und bereits um den Jahreswechsel herum offiziell in Betrieb gehen. Das ambitionierte Ziel sieht vor, dass das Projekt von der ersten Projektidee über die gesamte technische Planung, das Planfeststellungsverfahren und die Ausschreibung, Vergabe, Wegerechtsverhandlung bis zum Bau in nur 22 Monaten umgesetzt wird. von: Arnd Kleemann, Thorsten Soppa, Werner Müller (alle: EWE NETZ) & Gregor Stanislowski (Ingenieur- und Planungsbüro Lange GmbH & Co. KG) EWE-Zukunftsleitung in Rekordgeschwindigkeit geplant und genehmigt Schweißarbeiten an der EWE-Zukunftsleitung: im Vorbau maschinell, bei Verbindungen wird händisch verschweißt. Quelle: EWE 14 energie | wasser-praxis 10/2023 TECHN I K

der politischen Unterstützung und behördlichen Kapazitäten sowie einer pragmatischen Auslegung bzw. Anwendung bestehender Gesetze auszumachen. Natürlich muss in diesem Zusammenhang aber auch die extrem hohe Motivation aller am Projekt Beteiligten genannt werden. Die Überzeugung, ein sinnvolles und wichtiges Projekt der Energiewende zu unterstützen, hat zusätzliche Ressourcen bei allen Stakeholdern freigesetzt. Projektauftakt: von der Taskforce zur Trassenplanung Die erste Idee zum Bau einer Pipeline kam unmittelbar nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 auf. Es zeichnete sich schnell ab, dass Russland kein zuverlässiger Lieferant von Erdgas mehr sein würde und sich Bezugsquellen ändern werden. Früh war außerdem klar, dass der Standort Wilhelmshaven eine hohe Bedeutung für LNG-Importe erlangen würde. Im Rahmen einer durch die Politik (Landespolitik Niedersachsen sowie Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) einberufenen Taskforce wurden durch die Infrastrukturbetreiber kurzfristig Lösungen für die Anlandung von LNG durch Terminals in Wilhelmshaven sowie den Abtransport zu den Speichern und nachgelagerten Netzen erarbeitet. Der Anschluss der geplanten LNGTerminals und die Anbindung an die nächstgelegene vorhandene Speicherinfrastruktur in Etzel wurde daraufhin im Jahr 2022 durch die Open Grid Europe (OGE) realisiert. OGE konnte hierfür auf eine bereits vorhandene und detailliert ausgearbeitete Planung zurückgreifen, welche im eilbeschleunigten Verfahren unter dem LNG-Beschleunigungsgesetz genehmigt wurde. Der Bau der Wilhelmshavener-Anschlussleitung I (kurz: WAL I) zwischen Wilhelmshaven und Etzel mit einer Länge von ca. 26 km konnte so binnen weniger Monate umgesetzt werden. Das EWE-Projekt dockt direkt an die WAL I in Sande an. Die rund 70 km lange Gasanbindung Wilhelmshaven-Leer verläuft von Sande (bei Wilhelmshaven) in den Raum Leer zu den Gasspeichern in Nüttermoor und Jemgum. Sie ermöglicht es darüber hinaus, große LNG-Importmengen über Wilhelmshaven in das deutsche Gasnetz im Raum Leer zu integrieren und u. a. durch die Entlastung der weitestgehend ausgebuchten NETRA einen weiteren wesentlichen Beitrag für die Versorgungssicherheit in Deutschland zu leisten. Die Leitungstrasse ist bewusst so gewählt, dass die Leitung weder von den Anlagen des Speichers Etzel abhängig ist noch in Trassen anderer Gastransportleitungen aus diesem Großraum liegt. Damit ist sichergestellt, dass im Falle von größeren Ausfällen oder Störungen noch eine unabhängige Transportachse zur Verfügung steht. Darüber hinaus gewährleistet nur die schnelle Umsetzung der Gasanbindung Wilhelmshaven-Leer den Transport von signifikanten zusätzlichen Gasmengen im Winter 2023/24 als frühestmöglichen Zeitpunkt. Voraussetzungen: schnelle Entscheidungen und Unterstützung von Anliegern Bereits mit dem Einbringen des Vorhabens in die Taskforce, das heißt vor der politischen Verständigung zur Umsetzung, wurde im Hause EWE die Freigabe zur Aufnahme der Planung erteilt, ein Projektteam gegründet und die Mitarbeitenden von den übrigen Linienaufgaben freigestellt. Ingenieur- und Planungsbüros wurden unverzüglich beauftragt, um schnellstmöglich den Start der Arbeiten für die Leitungs- und Anlagenplanung sicherzustellen. Weiterhin mussten schon im August 2022 – also zwei Monate vor der Aufnahme des Projektes GWL in das LNG-Beschleunigungsgesetz – die Rohre für die Leitung bestellt werden. Genehmigungen im Eiltempo Bereits im Dezember 2022 konnten die Antragsunterlagen (Umfang: insgesamt B Wasserstoff – unsere Verbindung für die Zukunft 6. – 7. Dezember 2023, Messezentrum Nürnberg Jetzt Ticket sichern und Energieträger werden. hydrogendialogue.com/ticket-sichern POWERED BY

zwölf Aktenordner) bei der zuständigen Planfeststellungsbehörde eingereicht werden. Fachliche Unterstützung bei den Genehmigungsverfahren bekam das EWE-Projektteam u. a. vom Ingenieur- und Planungsbüro Lange GmbH & Co. KG mit Sitz in Moers. Aufgrund des ambitionierten Zeitplanes war zum Projektstart klar, dass z. B. faunistische und floristische Kartierungen nicht über einen Zeitraum von einem Jahr durchgeführt werden konnten und auch zur Bewertung von Auswirkungen zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht sämtliche Fachgutachten vorlagen. Vor diesem Hintergrund wurden in der ersten Projektphase die Ressourcen für die Entwicklung einer Trasse genutzt, die technisch umsetzbar ist und die nicht an unüberwindbaren Realisierungshindernissen scheitert. Parallel dazu erfolgte bereits – vor Erarbeitung der eigentlichen Fachgutachten – die Abstimmung der Trassenführung mit den Fachbehörden. Die von Dritten ins Verfahren eingebrachten Alternativen wurden eingehend geprüft und die Argumente für das Festhalten an der Antragstrasse nachvollziehbar begründet. Zu Beginn des Vorhabens war davon auszugehen, dass vollumfängliche Antragsunterlagen für die vorgelagerte raumordnerische Prüfung und das Planfeststellungsverfahren zu erarbeiten sind. Bei einer Bearbeitungszeit von maximal acht Monaten musste zu einem frühen Zeitpunkt festgelegt werden, in welchem Untersuchungsumfang und welcher Untersuchungstiefe die erforderlichen Antragsbestandteile zu erarbeiten sind. Der ambitionierte Zeitplan verlangte eine Verschlankung bisheriger Standards, ohne dabei die Rechtssicherheit zu gefährden. Dazu müssen die Projektverantwortlichen auch über eine entsprechende Entscheidungskompetenz verfügen. Hinzu kommt, dass bewusst darauf gesetzt wurde, einzelne Fragestellungen, die nicht als verfahrenskritisch angesehen wurden, im Rahmen der Anhörung zu klären; ansonsten wäre die Einhaltung des Zeitplanes nicht möglich gewesen. Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) als zuständige Planfeststellungsbehörde hat durch entsprechende Auflagen und Nebenbestimmungen sichergestellt, dass alle gesetzlichen Anforderungen im Zuge der Realisierung eingehalten wurden. Dank der kurzen Wege in der direkten Zusammenarbeit unter allen Projektbeteiligten inklusive der Behörden auf fast ausschließlich elektronischem Weg und mit Videokonferenzen konnten die erforderlichen Unterlagen für das Verfahren im Eiltempo zusammengetragen und die Antragsunterlagen binnen acht Monaten erstellt werden. Beispielsweise konnten Absprachen, die sonst einen langen Vorlauf und mehrere Kontaktaufnahmen erfordern, schnell und effizient in einem Video-Call zwischen Projektteam, Planungsbüro und Behörden getätigt und unmittelbar Entscheidungen getroffen werden. LNG-Beschleunigungsgesetz: Rückenwind und Herausforderungen während der Erarbeitung Das LNG-Beschleunigungsgesetz dient der Vereinfachung und Beschleunigung des Genehmigungsprozesses für den Ausbau von LNG-Infrastruktur. Es zielt darauf ab, bürokratische Hürden zu reduzieren, um Investitionen in LNG-Projekte zu fördern und die Versorgungssicherheit zu stärken. Zu diesem Zweck enthält es Maßnahmen, durch die die Dauer der Genehmigungsverfahren verkürzt werden soll. Zu Beginn der Planung bestand nur die Aussicht, dass das Vorhaben in das LNGBeschleunigungsgesetz aufgenommen wird, sodass zunächst die mit dem Gesetz verbundenen Vereinfachungen und Erleichterungen bei der Planung ausgeblendet wurden. Erst wenige Wochen vor der Einreichung der erstellten Antragsunterlagen erfolgte die Aufnahme des Projektes in den Anwendungsbereich des LNG-Beschleunigungsgesetzes: Insbesondere der „Verzicht“ auf die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (siehe „Ausnahmen von der Umweltverträglichkeitsprüfung“ nach § 4 LNG-Beschleunigungsgesetz) und die erhebliche zeitliche Entlastung des Landschaftspflegerischen Begleitplanes (siehe § 6 LNG-Beschleunigungsgesetz) kamen aufgrund der bereits fortgeschrittenen Unterlagenerstellung kaum zum Tragen. Für das GWL-Vorhaben konnten die durch das LNG-Beschleunigungsgesetz eröffneten Möglichkeiten für die erleichterte Durchführung von Vorarbeiten und die Vereinfachung für die Beantragung des vorzeitigen Baubeginns genutzt werden. Darüber hinaus zeigte sich, dass die Regelungen zu beschleunigten Anhörungsverfahren (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 LNGG) eine hohe Praxisrelevanz aufweisen. Trotz der vielen Vorteile des LNG-Beschleunigungsgesetzes bringt es auch einige Herausforderungen mit sich: So müssen selbstverständlich weiterhin die fachrechtlichen Vorschriften (geltendes EU-Recht), Sicherheitsstandards und Anforderungen der Behörden und Träger öffentlicher Belange in kürzerer Zeit mit angemessener Sorgfalt berücksichtigt werden, um rechtssichere Antragsunterlagen bei der Planfeststellungsbehörde vorzulegen. Zwar ist durch das Gesetz der Zeitraum der Anhörung und Beteiligung verkürzt, was allerdings nicht bedeutet, dass der Umfang der erforderlichen Unterlagen deutlich geringer ausfällt. Für das Projektteam resultierte hieraus eine besonders aufwendige Antragserstellung in einem Bruchteil der üblicherweise dafür eingeplanten Zeit. Auch musste im GWL-Projekt aufgrund des geringen Vorlaufs in vielen Fällen ein breites Spektrum an Auflagen erfüllt werden oder den Anforderungen der genehmigenden Stelle zugestimmt werden, da für die Erarbeitung von alternativen Lösungen und deren Verhandlung kein ausreichendes Zeitfenster mehr zur Verfügung stand. Ebenso stellt die Akzeptanz bei den tangierten Gemeinden bzw. Anspruchsberechtigen einen nicht unerheblichen Aspekt dar: Durch das beschleunigte Verfahren ist eine besonders transparente und intensive Kommunikation erforderlich, um eine vertrauensvolle Basis aufzubauen und Unterstützung für das Projekt zu bekommen. So ist gerade in einem beschleunigten Verfahren die Gefahr hoch, dass betroffene Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer ihre Interessen 16 energie | wasser-praxis 10/2023 TECHN I K

nicht ausreichend gewürdigt sehen, was potenziell das Risiko von Einsprüchen bis hin zu Klagen erhöht und in der Folge zu Verzögerungen führen kann. Darüber hinaus bedeutet die Priorisierung des Projektes gleichzeitig, dass Ressourcen für andere Projekte fehlen – im Unternehmen, aber auch bei den Behörden. Das macht einmal mehr deutlich, welche große Gemeinschaftsleistung – auch hinsichtlich der Kompensation von Tätigkeiten der Projektbeteiligten – erforderlich ist, um ein solches Projekt erfolgreich durchzuführen. Rahmenvereinbarung mit Landvolkverbänden Auf einer Länge von rund 70 km wird die Zukunftsleitung im Erdreich vorwiegend durch landwirtschaftlich genutzte Grundstücke von etwa 1.000 betroffenen Eigentümerinnen und Eigentümern sowie Nutzungsberechtigen verlaufen. Damit diese Flächen für den Leitungsbau genutzt werden können, wurde im August 2022 eine Rahmenvereinbarung mit den niedersächsischen Landvolkverbänden unterzeichnet, die eine wichtige Grundlage für weitere Gespräche mit den Eigentümerinnen und Eigentümern sowie Nutzungsberechtigten darstellte. Die Vereinbarung war eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass mit der Verlegung der unterirdischen Leitung durch die betroffenen landwirtschaftlichen Grundstücke termingerecht begonnen werden konnte. Sechs Monate später war es dann so weit: Alle betroffenen Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer sowie Nutzungsberechtigten hatten ihr Einverständnis für den Bau und den anschließenden Betrieb gegeben. Technische Planung und Materialbeschaffung Bereits während der Trassensuche wurde mit der technischen Planung für die ausgearbeiteten Abschnitte begonnen, ohne dass dafür z. B. schon alle Baugrunduntersuchungen vollständig vorlagen. Mit der großen Praxiserfahrung der Projektbeteiligten mussten vielfach Annahmen und Abschätzungen getroffen werden. Auf dieser Grundlage erfolgten auch die wichtigen Materialbestellungen wie Rohre (für die normale Trasse und Sonderbauwerke sowie für Rohrbiegungen), Armaturen und Formteile, da diese mit Lieferzeiten von mehr als sechs Monaten belegt waren. Ebenso musste die Ausschreibung für die Baudienstleistungen bereits Mitte September 2022 – also parallel zur Erarbeitung der Unterlagen für das Genehmigungsverfahren – starten. Daher waren auch hier bestmögliche Annahmen anzusetzen, da die Trasse beispielsweise noch nicht final in allen Bereichen feststand. Auch hier wurde u. a. auf vorhandenes zugängliches Datenmaterial zurückgegriffen. Etappenziel: vorzeitiger Baubeginn Mitte März 2023 konnte ein essenzielles Etappenziel erreicht werden: Das LBEG erteilte eine Zulassung für einen vorzeitigen Baubeginn der Zukunftsleitung. Bis zur Erreichung dieses wichtigen Meilensteins war von der ersten Idee bis zur Genehmigung nur ein Jahr vergangen. Feierlich konnte das Projektteam daher auch im März 2023 den symbolischen Spatenstich setzen – im Beisein von Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies sowie von Landräten und Bürgermeistern der Gemeinden und Landkreise entlang der Zukunftsleitung (Abb. 1). Durch die Genehmigung des vorgezogenen Baustarts dürfen zunächst nur sogenannte reversible Maßnahmen in Angriff genommen werden. Konkret wurden im Projekt erste Maßnahmen wie die Einrichtung von Bau- und Zufahrtstraßen, die Rohrausfuhr, die Vorbereitung von Sonderbauwerken (z. B. Einbringen von Spunddielen und Installation der Wasserhaltungseinrichtungen, jedoch ohne deren Inbetriebnahme) oder Flächenvorbereitungen und Fundamentarbeiten der Stationen noch vor dem offiziellen Baubeginn der Hauptarbeiten mit Planfeststellungsbeschluss durchgeführt. Bei einem beschleunigten Großprojekt wie dem Bau der Gasanbindung Wilhelmshaven-Leer B Abb. 1: In Westerstede setzten Olaf Lies (2. v. l.), Stefan Dohler (Mitte), Torsten Maus (2. v. r.), Tim Olbricht (l.) und Arnd Kleemann (r.) den Spatenstich. Quelle: EWE 17 energie | wasser-praxis 10/2023

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