DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 1/2023

Darüber hinaus hat uns als Branche die Corona-Pandemie eher bei den Personalressourcen unruhig gemacht und mittlerweile beschäftigen uns vornehmlich die Themen Blackout und IT-Sicherheit. Diese Entwicklung zeigt:Wenn man als Versorger nur noch damit beschäftigt ist, Krisen zu bewältigen, weil die eigene Substanz nicht ausreicht, dann befindet sich der eine oder andere Wasserversorger definitiv in einem Dauerkrisenmodus. Auf der anderen Seite gibt es sicherlich auch Wasserversorger, die die Situation mit Blick auf die bereits bewältigten Krisen in der jüngeren Vergangenheit etwas gelassener sehen. Wir bei der Fernwasserversorgung Franken hatten beispielsweise im letzten Sommer ein Abkochgebot, weil uns ein Lieferant aufgrund eines Starkregenereignisses verunreinigtesWasser geliefert hat. Das gleiche Starkregenereignis konntenwir imeigenenVerantwortungsbereich erfolgreich ohne negative Auswirkungen auf die Trinkwasserqualität meistern. Wir haben schon immer über eine gute Substanz und ausreichend Ersatzmaßnahmen verfügt.Undwir haben aus jeder Krise etwas gelernt, sodass unser Krisenmanagement vergleichsweise resilient aufgestellt ist. Die derzeitigen Diskussionen rund umdas Thema-StromBlackout lassen uns zwar nicht kalt, wir sind aber seit jeher mit ausreichend Netzersatzanlagen stationär und dezentral aufgestellt. Vor diesem Hintergrund befinden wir uns derzeit nicht so sehr in einempotenziellen Krisenmodus wie vielleicht ein Versorger, der jetzt gerade die Folgen der Corona-Pandemie bewältigt hat und nun kurzfristig Strom- und Netzersatzanlagen beschaffen muss. Gleichzeitig muss ich an dieser Stelle auch festhalten, dass wir es in Deutschland mit einer sehr heterogenen Struktur im Bereich der Wasserversorgung zu tun haben, sodass es in der Folge bei diesem Thema sehr viel Licht, aber auch Schatten geben wird. Stichwort „Licht und Schatten“: Was sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Aufgaben, vor denen jetzt große wie auch kleine Wasserversorger in diesem Jahr stehen und die jetzt am dringlichsten von der Branche angegangen werden müssen? Löhner: Am dringlichsten ist es meiner Meinung nach, aus diesem Dauerkrisenmodus heraus- und wieder in geordnete Verhältnisse hineinzukommen. Es wird in den nächsten Jahren darum gehen, zu entscheiden, was die wichtigsten Investitionen und Maßnahmen sind – egal, ob unter organisatorischen, technischen oder personellen Gesichtspunkten. Dabei wird uns erstens das Thema Substanzerhalt und Erneuerungsstrategien beschäftigen, weil unsere Infrastrukturen einerseits immer älter werden und wir diese andererseits an Phänomene wie Starkregenereignisse und Klimawandel anpassenmüssen. Dies spielt sich in erster Linie auf der Maßnahmenseite ab, sei es im investiven Bereich oder im personellen und organisatorischen Bereich. Das heißt: Nur, wenn ich kompetentes Personal mit den wichtigen Kompetenzen bei mir imUnternehmen habe, kann ich diese Dinge bearbeiten. Wenn ich z. B. meine Personalstrategie ausschließlich auf Ingenieure ausrichte, habe ich in der Folge niemanden mehr, der vor Ort Wartung, Inspektionen und Zustandskontrollen durchführt. Das operative „Doing“ bleibt auf der Strecke. Wenn ich auf der anderen Seite aber zu sehr auf das Operative ausgerichtet bin, wird es mir als Versorger schwerfallen, die notwendigen strategischen Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Die Aufgabenvielfalt in der Wasserversorgung ist enorm – die Hauptherausforderung wird es deshalb sein, die auf die eigenen Rahmenbedingungen angepasste Fokussierung vorzunehmen. Ich würde bei diesem Thema gerne direkt einhaken. Warum ist es aus Ihrer Sicht so schwierig, eine ausreichende Zahl von Nachwuchskräften für die Wasserversorgungswirtschaft zu gewinnen? Welche Strategien verfolgen Sie in Ihrem Unternehmen, umdiese angespannte Personalsituation zu beheben? Löhner: Es ist derzeit in allen Branchen schwer, Nachwuchskräfte zu gewinnen – egal, ob wir uns in der Wasserwirtschaft, in der Energiewirtschaft oder in der Gesundheitswirtschaft bewegen. Der demografischeWandel betrifft letztlich alle Branchen gleichermaßen und es hat gewissermaßen ein Kampf um die Fachkräfte begonnen. Das hat natürlich in Ballungsräumen wie Hamburg, Berlin, München oder in Nordrhein-Westfalen ganz andere Auswirkungen als in ländlichen Regionen. Wir bei der Fernwasserversorgung Franken können unsere Stellen derzeit erfreulicherweise besetzen, würden uns aber über mehr Bewerbungen freuen. Uns kommt dabei zugute, dass unsere Stellen in den „Mainstream“ hineinpassen: Das Interesse an nachhaltigen und „grünen“ Berufen ist in den letzten Jahren gewachsen. Zudem handelt es sich bei Trinkwasser um ein lokales Produkt, zu dem jeder und jede einen Bezug hat und mit dem sich viele auch identifizieren können. Beim Thema Recruiting machen wir mehr oder weniger das, was andere auch tun. Wir wollen als Unternehmen ein gutes Image pflegen und gegenüber den Kundinnen und Kunden einen guten Job machen, um so als Arbeitgeber positiv im Gedächtnis der Menschen zu sein. Konkret setzen wir dabei stark auf öffentliche Führungen durch unsere Anlagen oder Tage der offenen Tür. Wichtig ist natürlich auch das Thema Social Media, wobei wir hierbei vor der Herausforderung stehen, dass wir ein Fernwasserversorger sind und somit nicht direkt für den Endkunden produzieren. Generell ist das Thema Nachwuchsgewinnung meiner Meinung nach von einer hohen Dynamik geprägt. Welche Rolle spielt denn bei Ihren Bewerbern das ThemaWorkLife-Balance – auch im Hinblick darauf, dass die Arbeit bei einem Wasserversorger nicht immer nach dem klassischen „Nine-to-Five“-Muster abläuft und ablaufen kann? Und wie F 21 energie | wasser-praxis 01/2023

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