DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 1/2023

wichtig ist das Thema Gehalt für die Bewerberinnen und Bewerber; lässt sich hier eine Verschiebung im Hinblick auf die Prioritäten der Bewerber feststellen? Löhner: Diese Verschiebung können wir bei uns durchaus beobachten. Wir haben beispielsweise vor Kurzem eine Stelle im Bereich Unternehmenskommunikation ausgeschrieben und zahlreiche sehr gute Bewerbungen erhalten – auch von Personen, die bereits in der Kommunikationsabteilungen großer Konzerne gearbeitet haben. Das relevante Kriterium für diese Bewerberinnen und Bewerber war in der Tat nicht die Entgeltgruppe, sondern vielmehr die Frage, wie viele Tage mobiles Arbeiten pro Woche wir ermöglichen. Zugegeben, wir sind als öffentlich geprägtes Unternehmen mit einer öffentlichen Anteilseignerschaft bei diesem Thema etwas „hintendran“ und können derzeit nur einen Tag mobiles Arbeiten anbieten. Die Bewerberinnen und Bewerber sind aus ihren bisherigen Anstellungsverhältnissen aber eher zwei Tage gewohnt und würden dies gerne auf drei Tage ausbauen. Nun kann man sich zwar die Frage stellen, wie wichtig es gerade imRahmen einer Einarbeitung und einer Gewöhnung an die Unternehmenskultur ist, vor Ort im Büro zu sein. Letztlich stellen aber auch wir fest, dass dies gewissermaßen die neue Währung ist. Kommen wir nun von der organisatorischen zur technischen Ebene. Sie hatten bereits erwähnt, dass zur Erhöhung der Resilienz diverse organisatorische und technische Initiativen erforderlich sind. Wenn wir dabei zunächst auf der technischen Seite bleiben: Welche Maßnahmen meinen Sie hier konkret? Löhner: Hier sind zunächst die Bereiche des Asset- bzw. Anlagenmanagements zu nennen, die ein sehr breites Feld darstellen. In der ersten Stufe geht es in der Regel darum, Kenntnisse zu den Schwachstellen zu erlangen, um daraus Investitionsentscheidungen ableiten zu können. Konkret müssen Wasserversorger etwa 70 Prozent ihrer Investitionen in das Wassernetz lenken, und wir verfügen in der Branche mittlerweile über die Erfahrungen, dass Rohrleitungen durchaus 80, wenn nicht sogar 100 oder 120 Jahre halten können. Auf der anderen Seite zeigen unsere Erfahrungen, dass bestimmte Materialien – wie z. B. Grauguss aus der Nachkriegszeit – eine weitaus geringere Lebenserwartung haben. Die moderne Datenverarbeitung macht es mittlerweile möglich, immer mehr Faktoren wie beispielsweise die Umgebungsbedingungen zu erfassen, sodass die reine Leitungsalterung nur noch ein Kriteriumbei der Bewertung ist. In dem von mir geleiteten Lenkungskomitee 2 des DVGWzumThemaWasserversorgungssysteme ist die zerstörungsfreie und grabenlose Zustandsbewertung von Rohrleitungen ein sehr prägnantes Thema – auch unter demEindruck der extrem großen Dynamik, die es durch die Digitalisierung gibt. So existierenmittlerweile Drohnen, die die Trasse abfliegen und mit elektromagnetischen Verfahren den Zustand aufnehmen können. Zudem befinden sich auch frühere „No-Go“-Themen wie z. B. die Kamerabefahrung von Trinkwasserleitungen auf der Agenda. Bei diesen Themen passiert derzeit sehr viel und große Wasserversorger sindmittlerweile mutig genug, um Geld in die Hand zu nehmen und den Nutzwert dieser Verfahren auszuprobieren. Ein weiteres Aufgabenfeld besteht darin, die so gewonnenen Datenmit „Big Data“-Verfahren zu verarbeiten und dabei auch künstliche Intelligenz einzusetzen. Das ermöglicht es uns, aus riesigen Datensätzen zutreffende Prognosen zur Lebensdauer bestimmter Leitungsmaterialien zu treffen – und damit auch Investitionen noch genauer zu lenken. Daranwird deutlich, wie breit das Thema Asset-Management letztlich ist. Konkret sind wir bei der Fernwasserversorgung Franken sehr Kennzahlen-orientiert und haben das Glück, seit Jahren eine extrem geringe Rohrschadensrate und Wasserverluste nahe null zu haben. Unser Asset-Management zielt in diesem Zusammenhang darauf ab, herauszufinden, wo ein Rohrbruch größtmöglichen Schaden anrichtenwürde. Bei unserer Versorgungsgebietsfläche, die zweimal so groß wie das Saarland ist, ist es Hermann Löhner ist aktuell alleiniger Geschäfts- und Werkleiter der Fernwasserversorgung Franken in Uffenheim. Nach dem Studium zum DiplomIngenieur (FH) Versorgungstechnik an der Technischen Hochschule Nürnberg studierte er erfolgreich im Fach Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule Ansbach. Berufsbegleitend absolvierte er von 2005 bis 2007 den Masterstudiengang Energiemanagement an der Universität Koblenz-Landau. Hermann Löhner arbeitete nach seiner Tätigkeit als Unternehmensberater in einer Wirtschaftsprüfungskanzlei, in unterschiedlichen süddeutschen Energie- und Wasserversorgungsversorgungsunternehmen. Der Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit liegt seit mehr als 20 Jahren in der Unternehmensentwicklung und -führung von Wasserversorgungsunternehmen. Hierbei konnte er u. a. in den Branchenverbänden BDEW und DVGW an der Weiterentwicklung von Leitfäden, Richtlinien und technischen Regelwerken mitwirken. Von 2012 bis 2022 wurde ihm der Lehrauftrag für die Vorlesung „Wasserversorgung in der Praxis“ am Institut IWAR an der TU Darmstadt übertragen. ZUR PERSON 22 energie | wasser-praxis 01/2023 I N T E R V I E W

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