DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 1/2023

„Die Digitalisierung ist für die Branche zwar ein wichtiges Werkzeug – wir benötigen aber immer auch die entsprechenden Fachkräfte, die dieses Werkzeug sinnvoll einsetzen können.“ bei 1.100 kmNetzlänge ziemlich schwierig, die größten Schäden zu identifizieren. Das bedeutet, dass wir das gesamte Netz screenen müssen – auch das ist amEnde des Tages Asset-Management. Ihre Antwort zeigt, dass Asset-Management eben sehr vielschichtig ist und nicht bloß bedeutet, die eigenen Rohrleitungen zu prüfen. Vielmehr geht es auch darum, mögliche Ereignisse präventiv vorherzusehen – auch unter Zuhilfenahme digitaler Technologien. Würden Sie in diesem Zusammenhang sagen, dass mehr Digitalisierung immer auch eine höhere Resilienz für den Wasserversorger bedeutet? Löhner: Nein, auf keinen Fall, denn es gilt auch immer noch der etwas polemische Satz: „Wer viel misst, der misst auch viel Mist.“ Der Satz ist mir zum ersten Mal in meinem Studium in der Messtechnik begegnet und hat sich seitdem eingeprägt. Denn letztlich muss man jede Messung, die man vornimmt, auch plausibilisieren. Das ist auch genau das Problem bei den Themen Big Data und Digitalisierung: Wir bei der Fernwasserversorgung Franken haben beispielsweise einen sehr hohen Digitalisierungsgrad und können unser System in der Folge auch ohne eine durchgängig besetzte Leitwarte betreiben. Trotzdem haben jedes Umgebungsgerät und jede Messung vor Ort ihre ganz natürlichen Umgebungsbedingungen und Abweichungen. Bei einemmagnetisch induktiven Zähler beispielsweise kann eine fehlende Justierung dafür sorgen, dass falsche Werte geliefert werden und das gesamte System in der Folge nicht korrekt betrieben wird. Die Systemanbieter stellen heutzutage zwar digitale Tools zur Verfügung, die denMesswert selbst überwachen. Aber bei über 70.000Werten, die wir alle fünf Sekunden einsammeln, ist es eine großeHerausforderung, immer korrekte Messwerte zu generieren und diese dann auch zutreffend zu interpretieren. Und hier sind wir dann erneut beimThema Personal: Ich benötige auch schlichtweg die Leute, die diese Aufgabe erfüllen können! Der menschliche Faktor spielt also weiterhin eine entscheidende Rolle. Löhner: Genau! Ich brauche also, umbei meinemBeispiel zu bleiben, immer wieder die Dame oder den Herrn vor Ort, die die Feldgeräte justieren und überwachen. Hinzu kommt, dass die verwendeten Geräte in der Regel nur eine Lebensdauer von fünf bis zehn Jahren haben. Ich habe in der Folge also keine hohen Aufwendungen für das einzelne Gerät, wohl aber über die entsprechende Masse. Und diese Geräte müssen immer wieder hinsichtlich der Datenqualität mit fachkundigem Personal unterhalten werden. Gleichzeitig müssen die generierten Daten wie erwähnt auch immer interpretiert werden, was wiederum ein weiterer Mitarbeitender übernimmt. Ohne Menschen wird es also keine Resilienz geben. Die Digitalisierung kann uns dabei zwar helfen und das Thema beschleunigen – aber sie bleibt letzten Endes nur ein Werkzeug wie ein Hammer oder ein Inbusschlüssel, das von einem Menschen verwendet werden muss. Ein Zitat des Präsidenten des Bayerischen Gemeindetags, Dr. Uwe Brandl, lautet: „Wir müssen lernen, mit weniger Ressourcen mehr Aufgaben zu erfüllen!“ Bezogen auf die Wasserwirtschaft: Heißt das, dass alle in der Wasserversorgung Beschäftigten nun noch mehr Aufgaben übernehmen sollen? Löhner: Der Satz von Herrn Dr. Brandl hat mir insofern gefallen, als er sich nicht nur auf die Wasserwirtschaft bezieht, sondern letztlich auf alle Branchen. Für mich sagt er auch aus, dass wir aus alten Denkmustern herausmüssen. Viele Beschäftige, die bereits seit einerWeile in ihremUnternehmen tätig sind, nehmen die immer gleichen Arbeitsschritte vor, um ihre Aufgaben erfolgreich zu erfüllen. Diese „Rituale“ müssen bisweilen aber im Sinne eines lebenslangen Lernens beiseitegelegt werden. Zudem muss man meines Erachtens auch stärker priorisieren: Eine wachsende Anzahl an Aufgaben macht es für den Einzelnen erforderlich, die knapper werdenden Ressourcen auf die derzeit wichtigsten Aufgaben zu lenken. Das bedeutet auch, dass wir – also die Organisationen wie auch die Führungskräfte und Mitarbeitenden – noch flexibler werden müssen. Dabei ist es entscheidend, dass Führungskräfte ihren Mitarbeitenden auch immer erklären können, warum diese größere Flexibilität erforderlich ist. Das bedeutet, dass für Sie in diesem Satz auch ganz viele kommunikative Aufgaben stecken, um z. B. die Mitarbeitenden „mitzunehmen“. Löhner: Absolut! Denn die Anzahl der Aufgaben wächst, beispielsweise durch die bereits genannten Krisen der letzten Jahre oder die steigende Anzahl an Gesetzen und Vorgaben. F 23 energie | wasser-praxis 01/2023

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