DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 1/2023

Sie beziehen sich dabei vermutlich auch auf das Thema Genehmigungsverfahren. In diesem Zusammenhang werden in der Branche häufig die hohen bürokratischen Auflagen moniert – was muss sich Ihrer Meinung nach in diesem Bereich ändern und wie optimistisch sind Sie, dass es hierbei zeitnah Fortschritte gibt? Löhner: Ich muss vorwegschicken, dass ich kein Jurist bin. Gesetze und Vorschriften sind grundsätzlich gut gemeint und in einemdemokratischen Verfahren entstanden. Aber aus meiner beruflichen Erfahrung der letzten Jahre stelle ich speziell imBereich der öffentlichen Wasserversorgung fest, dass gerade durch die zugehörige Rechtsprechung bei einigen Gesetzen ein bürokratisches Monstrum entstanden ist. Das beste Beispiel ist für mich hier das Wasserrecht zumWasserschutzgebietsverfahren: Die Gesetze und Vorgaben an sich sind zwar relativ einfach – wir sind in der Praxis aber auch mit der zugehörigen Rechtsprechung konfrontiert. Unsere Wasserrechtsverfahren z. B. müssen demnach gewissermaßen schon die Antworten auf fiktive Klagen liefern. Ich verstehe, dass die zuständigen Behörden, die ja als amtlicher Sachverständiger auftreten, in diesemZusammenhang keine Fehler machen wollen. Aber dadurch wird von uns alsWasserversorger indirekt verlangt, dass wir alle Rechtsprechungen, die es zu einem Gesetz gibt, in unserem Antragsverfahren abbilden. Das kann von uns meiner Meinung nach aber schlichtweg nicht geleistet werden, weil ich praktisch von Beginn an eine Rechtsanwaltskanzlei an meiner Seite haben müsste, die den kompletten Überblick zu der zugehörigen Rechtsprechung hat. Die Menge an Ressourcen, die wir hierzu bindenmüssten, übersteigt aber jede Verhältnismäßigkeit. Das, was ich hier schildere, sehen auch zahlreichemeiner Kolleginnen und Kollegen so, und niemand hat dafür eine Lösung. Berthold Niehues aus der DVGW-Hauptgeschäftsstelle hat in einemBeitrag in Ihrer Fachzeitschrift vor einiger Zeit (Anm. d. Red.: vgl. ewp 04/2022) einen Lösungsansatz formuliert, den ich nur unterstützen kann. Sie klingen nicht sehr optimistisch, dass sich in dieser Angelegenheit zeitnah etwas bewegt. Löhner: Nein, für mich sind in dieser Angelegenheit derzeit keine Lösungswege ersichtlich. Warum benötigen wir Ihrer Meinung nach in Deutschland ein entsprechendes Wasserbeschleunigungsgesetz? Löhner: Weil es ohne ein solches Gesetz schlichtweg nicht mehr geht. In einigen Bereichen ist mittlerweile ein Investitionsstau erkennbar, und wenn deshalb größere Infrastrukturmaßnahmen nicht umgesetzt werden können, dann steigt natürlich das Risiko. Nehmen wir z. B. dieHerausforderungen durch denKlimawandel: Wenn die eine oder andereWasserherkunft dadurch in der Qualität oder Quantität limitiert wird, muss Ersatz in Form von Versorgungsleitungen zu anderen Gebieten geschaffen werden. In einigen Regionen in Deutschland sehen wir auch, dass der Wasserbedarf steigt und gleichzeitig notwendige Investitionen aufgrund von Planfeststellungsverfahren nicht umgesetzt werden können. Ich denke, dass es für das Allgemeinwohl nützliche Investitionsverfahren dringend Beschleunigungsverfahren und einen gewissen Vorrang braucht, umdie Resilienz und die Versorgungssicherheit zu erhöhen. EinWasserbeschleunigungsverfahrenmuss denVerwaltungsorganen geeigneteWerkzeuge in die Hand geben, um nicht jeden Schritt bis ins kleinste Detail in die öffentliche Beteiligung zu geben. In der Gasversorgung verhält es sichmeinerMeinung nach übrigens ähnlich: Über viele Jahre hinweg wurde gestritten, wie die LNG-Terminals an die Verteilnetzinfrastruktur angebunden werden sollen – und nun werden die Leitungen unter demEindruck des Krieges in der Ukraine innerhalb kürzester Zeit genehmigt und gebaut. Haben Sie in diesemKontext den Eindruck, dass die Wasserwirtschaft ein Image- oder Lobbyproblem hat und das Lebensmittel Trinkwasser so zuverlässig und selbstverständlich aus dem Wasserhahn kommt, dass niemand die dahinterstehenden Anstrengungen und Investitionen sieht? Und würde es helfen, in den Medien – ohne Panik zu schüren – noch etwas plakativer auf die Notwendigkeit der Trinkwasserversorgung hinzuweisen? Löhner: Ichmöchte an dieser Stelle einen Vergleich beschreiben: Die Gasmangellage in diesemJahr war sehr konkret und daher potenziell nahezu für die gesamte „EinWasserbeschleunigungsverfahren muss den Verwaltungsorganen geeigneteWerkzeuge in die Hand geben, um nicht jeden Schritt bis ins kleinste Detail in die öffentliche Beteiligung zu geben.“ 24 energie | wasser-praxis 01/2023 I N T E R V I E W

RkJQdWJsaXNoZXIy ODQwNjM=