DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 1/2023

an dem sich das Versorgungsunternehmen in Hinblick auf die eigenen Fähigkeiten messen kann. Um diesen Standard zu definieren, wurden die Fähigkeiten der Resilienz auf die einzelnen Prozessschritte des gesamten Versorgungssystems angewendet und das Bild einer „idealen“ klimaresilienten Infrastruktur beschrieben. Das Modell übersetzt Fähigkeiten in konkrete Prozesse des unternehmerischen Handelns und detailliert diese schrittweise im Sinne einer „Verästelung“ immer weiter, bis letztendlich konkrete Arbeitsschritte und deren angestrebte Ergebnisse (Qualitäten) vorliegen. Dieses Modell beinhaltet im Vergleich zu anderen Bewertungen keine relativen oder absoluten Angaben von Auslastungsgrenzen oder Wertebereichen. Vielmehr sind somit Prozesse und Qualitäten abgeleitet worden, die in einem klimaresilient aufgestellten Versorgungsunternehmen vorhanden sein sollten. Beispielhaft kann dies an der Operationalisierung der Fähigkeit „Antizipieren“ erläutert werden. Auf das Trinkwasserversorgungsunternehmen übertragen, erfordert Antizipieren, dass „vorausschauendes Planen“ sowie „Prognostizieren von Bedarfen“ als Prozesse im Unternehmen angelegt sind. Sich daran anschließende Teilschritte sind z. B. die systematische Erfassung des Temperaturverlaufes im Sommer und hochauflösender Verbrauchsdaten, die Schlussfolgerungen auf den Lastgang zulassen. Beschrieben wird ebenfalls, wie diese Daten in den Zusammenhang gesetzt werdenmüssen, umSchlussfolgerungen zur Reagibilität des Versorgungsnetzes auf bisher nicht bekannte Herausforderungen abzuleiten. Diese Prozessemüssen nicht immer neu angelegt werden. Hier können z. B. auch langjährige betriebsspezifische Erfahrungen einfließen, wie das System bei bestimmten Einflüssen reagiert. Durch das systematisierte „Einfordern“ des Prozesses soll ein Bewusstsein dafür entwickelt werden, welchen Impact eine Zuspitzung in Form von Extremwetterereignissen, im Beispiel einer Hitzeperiode, zukünftig haben könnte. Sich darauf vorzubereiten, ist dann eine weitere Fähigkeit, die ebenfalls imModell überprüft wird. Dieser offeneModellansatz entwickelte sich aus der Diskussionmit Versorgungsunternehmen der Branche. Hier wurde deutlich, dass jedes Unternehmen eigene äußere Rahmenbedingungen besitzt, die den Handlungsrahmen definieren. Diese Individualität der Versorgungsaufgabemacht es unmöglich, Bewertungen unternehmensübergreifend quantitativ abzubilden. Beispielsweise haben historische und zukünftige räumliche Entwicklungsprozesse einen relevanten Einfluss auf die Netzauslegung und Anlagendimensionierung. Deshalb wurde bei diesen heterogenen Anforderungen und Bestandssituationen von der Entwicklung einer festen Bewertungsskala abgesehen. Die Abbildung 2 stellt die Struktur des Resilienzbewertungsmodells für Trinkwasserversorgungsunternehmen zum derzeitigen Stand dar. Zum besseren Verständnis wurden die aus den sechs Fähigkeiten operationalisierten Prozesse in die strategische sowie die operative Klimaresilienz eingeteilt. Erstere bündelt die Prozesse in einer Abfolge, die zur Erstellung einer Anpassungsstrategie notwendig sind und primär in der strategischen Unternehmensplanung durchgeführt werden müssen. Unter operativer Klimaresilienz werden Abb. 2: Resilienzbewertungsmodell für Trinkwasserversorgungsunternehmen Quelle: eigene Darstellung 28 energie | wasser-praxis 01/2023 O R G A N I S AT I O N & M A N A G E M E N T

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