DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 1/2023

erscheint der Einsatz von Biomass-toLiquid (BtL) bzw. Power-to-Liquid (PtL) zumindest mittelfristig sehr wahrscheinlich. Alternative Antriebe, beispielsweise Batterie- oder Brennstoffzellenflugzeuge werden zwar erforscht, stehen jedoch noch am Beginn ihrer Entwicklung. Ihr potenzieller Beitrag ist daher mit heutigem Wissensstand noch schwierig zu beurteilen. Im Gebäudesektor reduziert sich der Endenergieverbrauch für Wärme durch energetische Sanierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle und effizientere Heizung sowie Nutzung anderer Energieträger imSimulationszeitraumvon 2020 bis 2045 um46 Prozent, wasmit 1,4 Prozent pro Jahr Sanierungsrate und einer Trendfortsetzung beimHeizungstausch als eher moderat angesehen werden kann. Hierfür sind umfangeiche Investitionen in Gebäude sowie in Brennstoffwechsel notwendig, die wegen Renovationszyklen frühzeitig angegangen werden müssen. Hierfür müssen die Rahmenbedingungen entsprechend gesetzt werden. Durch Effizienzmaßnahmen, die Umstellung auf erneuerbareWärmesysteme sowie eine Beimischung vonWasserstoff und Biomethan von insgesamt rund 20 TWh im Jahr 2030 werden die Sektorziele des Klimaschutzgesetzes erreicht. 2030 finden dabei noch 248 TWh gasbasierte Energieträger (Erdgas, Wasserstoff, Biomethan) eine Verwendung, bis 2045 geht der Anteil der fossilen Energieträger dann auf null zurück. Dabei werden im Jahr 2045 noch 101 TWh gasbasierte Energieträger genutzt, die dann vollständig durchWasserstoff oder Biomethan bereitgestellt werden (Abb. 4). Im Simulationszeitraumwerden 16,7Mio. Gas-/Wasserstoff-Zentralheizungen, gefolgt von 8,4Mio. Wärmepumpen neu installiert. Dies entspricht einer Quote von ca. 46 Prozent, die ca. 20 Prozentpunkte unter der langjährigen gasgeprägten Heizungsaustauschquote liegt. Dennoch überwiegen in diesem Szenario die Gasanschlüsse. Eine Untersuchung der verteilnetzseitigen Auswirkungen der zukünftigen Heizungsstruktur erfolgte zwar nicht. Trotzdem kann vermutet werden, dass die Gasverteilnetze in diesem Szenario weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung leisten. Im Wasserstoffszenario wurde zudem untersucht, inwieweit eine Erreichung des Sektorziels bis 2030 mit einer erst langfristigen Umstellung der Gasnetze auf Wasserstoff vereinbar ist. Die Ergebnisse zeigen, dass bei ambitionierten Energieeffizienzmaßnahmen 2030 ein Anteil von rund 40 Prozent Gasversorgung in Gebäuden möglich ist, sofern davon rund 10 Prozent bereits über grüne Gase (Wasserstoffbeimischung und Biomethan) bereitgestellt werden. Allerdings ist es für die Zielerreichung ebenfalls erforderlich, dass auch weiterhin kurzfristig ein Wandel in der Wärmeversorgung stattfindet und erneuerbare Wärmeversorgungssysteme (wie z. B. Wärmepumpen und Biogasthermen) eingesetzt werden. Weiterhin müssen die Ambitionen bezüglich der Sanierung der Gebäude gegenüber dem heutigen Niveau deutlich gesteigert werden. Wird davon ausgegangen, dass bis 2045 eine Umstellung der Gasnetze auf Wasserstoffnetze erfolgt, somüssen die neu installierten Gaskessel wasserstofftauglich sein (100 Prozent). Sofern das Wasserstoff-Szenario als Option offengehalten werden soll, müssen entsprechende Instrumente implementiert werden, die passende ordnungsrechtliche Vorgaben für zu installierende neue Gaskessel festlegen. Wenn das Wasserstoff-Szenario als Option für den Gebäudebereich infrage kommt, sollte sichergestellt werden, dass entsprechende Mengen Wasserstoff vor dem Hintergrund der Konkurrenzsituation zu den anderen Sektoren für den Sektor Gebäude zur Verfügung stehen. Hierbei gilt es zu beachten, dass z. B. der Wasserstoffeinsatz in der Industrie zur Erreichung der Treibhausgasneutralität derzeit eher alternativlos ist. Auf der Seite der Energiebereitstellung zeigt sich, dass das Stromerzeugungssystem in Deutschland durch die politischen Vorgaben für den Leistungsaufbau von erneuerbaren Energien sehr stark determiniert ist. Ein Ausbau von Fotovoltaik- oder Windkraftanlagen über die politischen Zielsetzungen hinaus wird in der Optimierung nicht als wirtschaftlich sinnvoll bewertet. Insgesamt werden 2045 in Deutschland insgesamt 1.172 TWh im Wasserstoffszenario erzeugt (Abb. 5). Hiervon werden ca. 87 Prozent durch 631 Gigawatt (GW) Stromerzeugungsleistung der nicht gesichertenQuellenWind und Fotovoltaik bereitgestellt. Schon 2030 werden ca. 36 TWh Strom zur Wasserstofferzeugung eingesetzt, was ca. 6 Prozent der volatilen Stromerzeugung darstellt. Bis 2045wächst dieser Anteil dann auf ca. 38 Prozent (388 TWh) an. Ferner ist zu erwähnen, dass der starke Ausbau von Fotovoltaik die Verteilnetze deutlich belasten würde (Abb. 6). Hierdurch kann sich eine netzentlastende Fahrweise von Elektrolyseuren auf Verteilnetzebene auf die Zielerreichung positiv auswirken. Insgesamt könnten im Sommer 111 GW Elektrolyseleistung und im Winter 73 GW benötigt werden. Trotz hochgesteckter politischer Ziele beim Ausbau von erneuerbaren Stromerzeugungstechnologien in Deutschland ist die europäische Dimension für die deutsche Energieversorgung unverzichtbar. Das europäische Ausland stellt sich in denModellergebnissen für den Umwandlungssektor als wichtige Bezugsquelle von Strom und Wasserstoff dar. Diese Wasserstoffnachfrage wird insbesondere durch Fotovoltaik und solarthermische Anlagen imSüden der EU sowie Windkraftanlagen im Norden gedeckt. Insgesamt wird in dem Szenario ein Import von 480 TWh im Jahr 2045 nach Deutschland gesehen. Die Einbindung der Bundesrepublik in ein europäisches Strom- bzw. Wasserstofftransportnetz sollte deshalb weiter vorangetrieben werden. Dies setzt eine gemeinsame europäische Strategie zum Thema Wasserstoff voraus, deren Umsetzung auch zur Resilienz der europäischen Energieversorgung beitragen kann. Wasserstoffimporte aus dem nicht-europäischen Ausland sind unter den gewählten Rahmenbedingungen zwar nicht wirt- F 55 energie | wasser-praxis 01/2023

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