DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 6+7/2023

www.energie-wasser-praxis.de 6+7 Umstellung | Wasserstoff Zur H2-Tauglichkeit von Anlagen und Anlagenkomponenten Wasser | Versorgung Innovationsprojekt untersucht Po- tenzial von digitalen Technologien Innovationspreis | Gas Klimaschutz und Innova- tionen in der Gaswirtschaft 74. Jahrgang | Juni/Juli 2023 | ISSN 1436-6134 CARBON CAPTURE , UT I L I ZAT I ON OR STORAGE : Chancen und Risiken für die deutsche Industrie Gas-Druckregler, Sicherheitsabsperrventile und Gaschromatographen von Emerson: 100 % bereit für Erdgas, H₂, LNG und Biogas Gas-Druckregelgeräte, Sicherheitsabsperrventile & Gaschromatographen für: • Gasnetze • Industrie • Kraftwerke Einsetzbar bis 100 % H₂ anfrage.de@emerson.com Cronos-Regler FL-Regler SAV „BM6X“ Vorteile der Emerson-Geräte für die Gasversorgung: Besuchen Sie uns am 06. & 07. September 2023 am Stand E-23 auf der gat|wat in Köln! • H₂-getestet (DVGW, Bureau Veritas) und zertifiziert • Geeignet für bis zu 100 % H₂ bei bis zu 100 bar • Hohe Genauigkeit • Geringer Wartungsaufwand • Geräuscharm dank integrierter Schalldämpfersysteme • Bis DN 300 und bis 100 bar lieferbar • Pilotgesteuerte und direkt wirkende Regler • Einbaulängen gemäß EN 334 und EN 14382 • Auf den Weltmärkten und in der EU seit Jahrzehnten erfolgreich im Einsatz • DVGW-Zertifizierungszeichen energie|wasser-praxis

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www.energie-wasser-praxis.de 6+7 Umstellung | Wasserstoff Zur H2-Tauglichkeit von Anlagen und Anlagenkomponenten Wasser | Versorgung Innovationsprojekt untersucht Po- tenzial von digitalen Technologien Innovationspreis | Gas Klimaschutz und Innova- tionen in der Gaswirtschaft 74. Jahrgang | Juni/Juli 2023 | ISSN 1436-6134 CARBON CAPTURE , UT I L I ZAT I ON OR STORAGE : Chancen und Risiken für die deutsche Industrie energie|wasser-praxis

HAUPTPROGRAMM IST ONLINE www.gat-wat.de 6. – 7. September 2023 Koelnmesse Die Leitveranstaltung der Energie- und Wasserwirtschaft

Mit gebündelter H2-Kompetenz ran an die Energiewende! Liebe Leserinnen und Leser, um die Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen umzusetzen, ist eine gewisse Portion Mut und Pragmatismus nötig. In den vergangenen Jahrzehnten fehlte uns gesellschaftlich wie politisch beides. Daher sollten wir neue Ideen und Entwicklungen zur Erfüllung der Klimaziele nicht nur dringend berücksichtigen, sondern auch zielgerichtet ausführen. Auch die anwendungsnahe Forschung rät dazu, das Erreichen des Ziels in den Mittelpunkt zu stellen und zu dessen Realisierung unterschiedliche technologische Methoden einzusetzen. So sollten wir uns nicht nur auf ein Konzept verlassen – insbesondere, weil in komplexen Systemen häufig unerwartete Nebenwirkungen auftreten. Die Basis für eine zuverlässige Energiebereitstellung bilden neben den erneuerbaren Energien und der direkten Nutzung elektrischer Energie auch Energieimporte und die Energieumwandlung, beispielsweise in Wasserstoff. Die bei dieser Umwandlung entstehenden Energieverluste werden im Rahmen einer Argumentation für eine „All-electric-World“ oftmals ganz oben angeführt. Den Umwandlungsverlusten stehen jedoch die sehr guten Transporteigenschaften der Pipelines, deren geringer Umwelt- und Flächenverbrauch und die Möglichkeit der Speicherung vonWasserstoff gegenüber. Analog zummenschlichen Körper, für den es nicht ausreicht, nur schnelle Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP) zu nutzen, sollte es auch immer einen „Energie-Wintervorrat“ als Reserve geben. Das bedeutet: Unsere Energiesysteme müssen stetig weiterentwickelt werden, um alle Möglichkeiten des Transports, der Verteilung und der Speicherung auszuschöpfen. Der weltweite Energiebedarf kann komplett durch erneuerbare Energie abgedeckt werden. Wir müssen diese lediglich durch Technologien und Infrastrukturen für alle Sektoren nutzbar machen. Die Kompetenz für die Umsetzung ist bereits vorhanden, sodass wir die Klimaziele erreichen können. Dazu benötigen wir jedoch auch den Rückhalt der Gesellschaft, den wir durch Transparenz, Offenheit und die Absicherung von Wohlstand und sozialer Sicherheit erhalten. Die wissenschaftlich anspruchsvolle Aufgabe lautet nun, die Klimaziele in der erforderlichen Geschwindigkeit und möglichst kostengünstig zu erreichen. Der DVGW hat den „H2Kompetenzverbund der deutschen Energiewirtschaft“ ins Leben gerufen, um bei der Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen zu beraten und zu unterstützen. Im H2-Kompetenzverbund arbeiten drei Institute (DBI, EBI und GWI) mit dem DVGW zusammen. 900 Forscherinnen und Forscher, Zertifizierer und Ausbilder eint die Vision: „Wasserstoff für alle“. Gemeinsam publizieren wir Forschungsergebnisse, überführen diese in Zertifizierungsverfahren und Regelwerke und erarbeiten Aus- und Weiterbildungsangebote. Denn neben einem starken Regelwerk braucht eine florierende Wasserstoffwirtschaft nicht nur gut ausgebildete Fachkräfte, sondern auch standardisierte und zertifizierte Produkte. Zudem wird der H2-Kompetenzverbund durch ein Kuratorium, bestehend aus erfahrenen Akteuren aus Forschung, Industrie und Gesellschaft, beraten. Auf Basis dieser breiten Gruppierung werden die relevanten Fragestellungen aufgegriffen und konsensfähige Lösungen entwickelt. Um die Transformation des Energiesystems zu bewerkstelligen, benötigen wir neben dem angesprochenen Mut und entschlossenem Handeln auch wissenschaftliche Weichenstellungen. Die Bewertungen der H2-Tauglichkeit der Netze müssen jetzt vorgelegt werden, die Netzbetreiber müssen die nötigen Vorbereitungen treffen und wir müssen H2-ready-geprüfte Produkte und Endgeräte sowie ein entsprechendes Regelwerk und Weiterbildungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Die Zusammenarbeit und Entschlossenheit unserer Branche bringt den Kundinnen und Kunden Sicherheit, auch in politisch schwierigen Zeiten. Setzen auch Sie Ihre Kräfte für die Transformation des Energiesystems und eine technologieoffene Energiewende ein, die Nachhaltigkeit und Wirtschaftskraft als Basis für gesellschaftlichen Wohlstand verbindet! Ihr Gert Müller-Syring Ihr Jörg Nitzsche von: Gert Müller-Syring & Dr. Jörg Nitzsche Sprecher des H2-Kompetenzverbundes der Deutschen Energiewirtschaft 2022/23 Gert Müller-Syring Dr. Jörg Nitzsche 3 energie | wasser-praxis 6+7/2023 E D I T O R I A L

I N H A LT 6 + 7 / 2 0 2 3 Titel Quelle: Dmitry Kovalchuk/iStock.com 14 Zur Wasserstofftauglichkeit von Anlagen und Anlagenkomponenten 30 Innovationen und Klimaschutz in der Gaswirtschaft 46 Nutzung von Daten und digitalen Technologien in der Wasserwirtschaft 82 Ich mach was mit … 14 Chancen und Risiken der CC(U)S-Technologie Ab Seite 24 3 | EDITORIAL 6 | NACHRICHTEN TECHNIK 14 | Wasserstofftauglichkeit von Anlagen und Anlagenkomponenten – die Rolle der betrieblichen Erprobung • Dr. Klaus Steiner, Dr. Doris Niggemann 20 | Drohnenbasierte Untersuchung der Molchbarmachung im Zuge der Wasserstofftransformation • Dr.-Ing. habil. Steffen Päßler, Yelyzaveta Romanyak 24 | Chancen und Risiken der CCS-Technologie für Deutschland • Dr. Diana Schumann, Dr. Wilhelm Kuckshinrichs 30 | Die Gaswirtschaft im Wandel: Innovationen und Klimaschutz • Thomas Wencker ORGANISATION & MANAGEMENT 36 | Resilienz und Versorgungssicherheit der öffentlichen Wasserversorgung 2022 – Ergebnisse der dritten Online- Umfrage des DVGW • Berthold Niehues FORSCHUNG & ENTWICKLUNG 46 | digital-water.city: Nutzung des Potenzials von Daten und intelligenten digitalen Technologien in fünf europäischen Städten • Nicolas Caradot, David Steffelbauer, Wolfgang Seis, Michel Gunkel, Regina Gnirss 54 | Digitale Lösungen für eine wasserbewusste Gesellschaft • Dr. David Schwesig, Kristina Wencki, Dr. Katharina Gimbel, Pia Springmann, Marcel Juschak, Julia Oberdörffer 60 | Studie untersucht Standortwahl für den Bau von Elektrolyseuren mit Offshore-Windenergie • Dr. Dennis Kruse, Dorothee Ellerhorst, Keno Brüning, Karina Würtz, Andreas Mummert, Svenja Schneeweiß, Ilka Schroff 30 82 46 4 energie | wasser-praxis 6+7/2023

TECHNISCHE REGELN & NORMEN 66 | Fortschreibung des DVGW-Regelwerks DVGW AKTUELL 68 | Mit fachlichen und personellen Informationen und Nachrichten aus der Vereinsarbeit sowie Terminen und Veranstaltungen VERANSTALTUNGEN 80 | DVGW-Veranstaltungsvorschau für Juni und Juli 2023 ARBEITS | welten 82 | Ich mach was mit Elektrotechnik BILDUNGS | welten 84 | Rückblick auf das 10. Kolloquium der Bildungsgremien (Teil 2) 89 | PRAXIS & PRODUKTE SERVICE 93 | Rohrleitungsbauunternehmen 94 | Bezugsquellen 98 | Impressum 5 energie | wasser-praxis 6+7/2023 www.agru.at @agruworld Wir beraten Sie gerne info@frank-gmbh.de T. +49 6105 4085-0 www.frank-gmbh.de HYDROCLICK Sanierung von Trinkwasserbehältern • Einfache Montage mit Click-Leisten • Dauerhaft dichte Schweißnähte (Prüfung mittels integrierter Indikatorstreifen) • Widerstandsfähiger PE-Werkstoff ohne Weichmacher • Wartungsarmer Betrieb für viele Jahrzehnte

VERANSTALTUNGSTIPPS 6.–7. September 2023, Köln Praktiker Tage In Köln treffen sich im Rahmen der diesjährigen gat | wat die Fachleute aus der Gas- und Wasserwirtschaft zu den Praktiker Tagen. Das neu konzipierte Praktiker Forum bietet den Messebesucherinnen und -besuchern nun erstmalig zwei spannende Tage mit Praxisvorträgen zu Neuerungen des technischen Regelwerks, Projekteinblicken und Technologie-Updates. Es erwarten Sie außerdem zahlreiche Aussteller und eine Abendveranstaltung in der Messehalle. www.gat-wat.de/praktikertage 26.–28. September 2023, online Wasserstoff-Expertise in 3 Tagen Dieser Crashkurs gibt Ihnen die Möglichkeit, alle Aspekte von Wasserstoff entlang des roten Fadens der Wertschöpfungskette kennenzulernen und nachzuvollziehen. Zahlreiche Expertinnen und Experten, insbesondere von Energieversorgern und Netzbetreibern, blicken gemeinsam mit Ihnen auf die Wasserstoff-Potenziale und geben Einblick in ihre Erfahrungen sowie in politische und rechtliche Rahmenbedingungen sowie Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten. www.dvgw-kongress.de/crashkurs-wasserstoff 14. November 2023, online Prüfung von Energieanlagen auf Explosionssicherheit gemäß BetrSichV Nach der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), §§ 15, 16 und Anhang 2, Abschnitt 3, Nrn. 4.1 und 5.1, sind Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen vor der erstmaligen Inbetriebnahme, nach prüfpflichtigen Änderungen und wiederkehrend mindestens alle sechs Jahre auf Explosionssicherheit zu prüfen. Diese Veranstaltung vermittelt kompakt die Anforderungen an die Prüfung von Energieanlagen der Gasversorgung. www.dvgw-kongress.de/explosionsschutz DVGW und DWA initiieren Forschungsdialog mit der Politik F„Forschung und Innovation sind zentrale Bausteine, um die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten, die Resilienz der Wasserinfrastruktur zu stärken und damit auch den Wohlstand in Deutschland zu sichern.“ Judith Pirscher, Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), äußerte klare Worte zur Eröffnung des 1. Forschungsdialogs der Wasserwirtschaft, den der DVGW und die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) am 17. April 2023 gemeinsam in Berlin veranstaltet haben. Im Fokus des Dialogs stand der direkte Austausch zu den wichtigsten Themen – von der Klimaanpassung über Blackout-Szenarien und IT-Sicherheit bis zur CO2-Neutralität der Branche. Hintergrund ist der von DVGW und DWA ins Leben gerufene Water Innovation Circle (WIC), der als Austausch- und Informationsplattform zur Stärkung der Wasserforschung in Deutschland fungiert. Er bildet die Schnittstelle zwischen den Anwendern aus der wasserwirtschaftlichen Praxis, den Forschungseinrichtungen und den politischen und ministeriellen Entscheidungsträgern der öffentlichen Förderprogramme. Ziel ist es, die praxisbezogene Wasserforschung zu fördern und deren Verwertung in der Wasserwirtschaft weiter auszubauen. Dieser Ansatz findet auch beim Bundesministerium für Bildung und Forschung Zustimmung. Das BMBF nehme seit langem gern an den WIC-Sitzungen teil, so Judith Pirscher. Einigkeit bestand bei allen Teilnehmern bezüglich des hohen Finanzbedarfs, um die Wasserinfrastruktur an die zukünftigen Herausforderungen, insbesondere die Folgen des Klimawandels, best- und schnellstmöglich anzupassen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat diese Themen im Programm „Wasser: N – Forschung und Innovation für Nachhaltigkeit“ bereits aufgegriffen und entsprechende Fördermaßnahmen initiiert. Das Programm sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, betonten DVGW und DWA. Ein Beleg hierfür sei die Anfang des Jahres von den Verbänden vorgelegte Vision 2100, die den Handlungs- und Forschungsbedarf aus Sicht der Wasserwirtschaft konkretisiert. Weitere Forschungsaktivitäten mit der entsprechenden finanziellen Ausstattung seien jedoch notwendig, betonen die technisch-wissenschaftlichen Spitzenverbände – eine Position, die auch Zustimmung in der Politik findet. Allerdings bestünde an vielen Stellen kein Erkenntnismangel, sondern ein Umsetzungsdefizit. „Für eine zukunftsfähige Infrastruktur müssen wir Geld in die Hand nehmen“, betonte Steffen Eichner, Staatssekretär imMinisterium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt Sachsen-Anhalt, im Rahmen der Podiumsdiskussion beim Forschungsdialog. Dr. Jan-Niclas Gesenhues (Bündnis 90/Die Grünen) argumentierte ähnlich: „Der Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums muss oft harte Budgetdebatten führen. Die Dringlichkeit des Themas ist noch nicht bei allen angekommen.“ P 6 energie | wasser-praxis 6+7/2023 N A C H R I C H T E N

Heizdebatte: Verbände-Allianz für grundlegende Nachbesserungen am Gebäudeenergiegesetz F In der Heizdebatte fordern mehrere Verbände den Bundestag zu grundlegenden Nachbesserungen am Gebäudeenergiegesetz (GEG) auf. Der Forderung schließen sich der Deutsche Landkreistag (DLT), der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB), der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) und der DVGW an. Die Verbände appellieren an die Abgeordneten, für echte Technologie-Offenheit zu sorgen, indem sie sinnvolle Übergangslösungen und -fristen für den klimaneutralen Umbau der Fernwärme- und Gasnetze verankern. Immerhin beziehen mehr als 99 Prozent der Industrie-, Gewerbe- und Nicht-Haushaltskunden in Deutschland ihr Gas aus den Verteilnetzen. Mit diesen Änderungen könnten die Abgeordneten das GEG zugleich eng mit dem noch ausstehenden Bundesgesetz zur kommunalenWärmeplanung verzahnen. Damit bekämen Kommunen ein Planungsinstrument an die Hand, mit dem sie Strategien für eine klimaneutrale Wärmeversorgung entwickeln können, die am besten zur Situation vor Ort passen und so auch eine sozialverträgliche Wärmewende ermöglichen. Zwar seien die Klimaneutralitätsziele der Energie- und Wärmewende für 2045 angesichts der Notwendigkeit, noch unabhängiger von fossilen Energieimporten zu werden, und der Herausforderung des Klimawandels richtig, so die Verbände. Jedoch seien sowohl die 2030/2035-Zwischenziele zum Erneuerbaren-Anteil für Wärmenetze als auch das um zehn Jahre auf 2035 vorgezogene Klimaneutralitätsziel für grüne Gase wie Wasserstoff in den Gasnetzen zu starr und daher nicht realistisch. Investitionen in Infrastrukturen und Anpassungen der Endanwendungen in Industrie und Haushalten erforderten schlicht mehr Zeit. Bliebe es bei den Zielen, wären grüne Wärme und Gase als technische Lösungen faktisch außen vor und eine Technologie-Offenheit bestünde nur auf dem Papier. Bei der Fernwärme drohe der Ausbau der Netze abgewürgt zu werden – auch, weil die Zwischenziele imWiderspruch zum jungen Förderprogramm „Bundesförderung effiziente Wärmenetze“ stehen, auf dessen Basis die Netzbetreiber aktuell die Transformation ihrer Netze kalkulieren. Bei Gasnetzen verlöre man sowohl das Potenzial aus dem Einsatz grüner Gase als auch die Chance, das Netz als lokalen Speicher für grünen Wasserstoff zu nutzen. Ohne eine Umstellung von Gasverteilnetzen auf grüne Gase werde es außerdem nicht gelingen, die lokalen Industrie- und Gewerbekunden zu versorgen, die Wasserstoff für die Dekarbonisierung ihrer Prozesse benötigen und keine bessere technischwirtschaftliche Alternative haben. Damit drohe das Gesetz zu einer Gefahr für den Industriestandort Deutschland zu werden. Dabei könnten grüne Fernwärme oder Gase – je nach Kommune und energetischem Zustand der Gebäude – besser als Wärmepumpen passen und für Eigentümer und Mieter erschwinglicher als eine aufwendige Sanierung des Hauses sein. So beraube der Bund die Kommunen gleich zweier Instrumente für eine sozialverträgliche Wärmewende vor Ort, kritisieren die Verbände. Ohne Technologie-Offenheit würde das geplante Bundesgesetz zur kommunalen Wärmeplanung ad absurdum geführt. Die Abgeordneten sollten für maximale Technologie-­ Offenheit im GEG sorgen, indem sie praxistaugliche Fristen und Regelungen zur Nutzung grüner Wärme und grüner Gase als zusätzliche Option zur Wärmepumpe verankern. Dazu zählen der Einsatz von KWK-Anlagen, Regeln für Härtefälle und Ausnahmen für die Gebiete, in denen zwar noch kein kommunaler Wärmeplan existiert, aber der Netzbetreiber bereits einen Transformationsplan vorlegen kann. P Quelle: hanohiki/stock.adobe.com Heizung im Altbau: Gase und grüne Fernwärme stellen für viele Eigentümer und Mieter eine erschwingliche Lösung dar. 7 energie | wasser-praxis 6+7/2023

Genehmigungsprozesse von Rohstoffen verkürzen DVGW CERT, figawa und Kiwa starten Materialdatenbank für Trinkwasserprodukte F Sauberes Trinkwasser ist ein Grundbedürfnis, daher müssen seine Sicherheit und Qualität jederzeit gewährleistet sein. Die Nutzung nicht zugelassener Materialien kann schädliche Substanzen ins Trinkwasser bringen und dadurch die Gesundheit gefährden. Die EU arbeitet bereits an einheitlichen Gesetzen und die EU-Trinkwasserrichtlinie vom Dezember 2020 wird von den EU-Mitgliedsstaaten bald in die nationalen Gesetze aufgenommen. Zeitgleich mit der neuen Gesetzgebung erarbeiten DVGW CERT, figawa und Kiwa aktuell eine Materialdatenbank für Rohstoffe, die in Produkten und Geräten für Trinkwasser verwendet werden. In der Datenbank werden verifizierte Informationen über die Zusammensetzung und Eigenschaften der Rohstoffe, die Normen und Vorschriften für die Rohstoffe und die Angaben zu den Zertifizierungsstellen gesammelt. Die Materialdatenbank wird den Genehmigungsprozess von Rohstoffen in Zukunft erheblich verkürzen, da die Hersteller die Rohstoffe den Qualitätsstandards entsprechend schneller auswählen können. Der aktuelle, zeitintensive Entwicklungsprozess neuer Produkte, die auf alle verwendeten Rohstoffe untersucht werden müssen, kann derzeit noch bis zu zwei Jahre dauern. Durch die Angaben in der Datenbank wird in Zukunft die Vorlaufzeit reduziert und zudem das Risiko von nicht konformen Materialien verringert. Auf der ISH-Messe im April in Frankfurt haben DVGWCERT, figawa und Kiwa die Datenbank zum ersten Mal der Fachöffentlichkeit präsentiert. Zahlreiche große Rohstoffhersteller haben ihre Kooperation bereits zugesagt. Im dritten Quartal dieses Jahres soll die Materialdatenbank dann einsatzbereit und spätestens Anfang 2024 für Hersteller und andere Benutzer zugänglich sein. P Quelle: figawa v. l.: Volker Meyer (Hauptgeschäftsführer figawa), Gabriele Schmidt (Geschäftsführerin DVGW CERT GmbH) und Ronald Karel (Division Director Energy & Consumer Products) bei der Präsentation der Datenbank auf der ISH Projekt BioWaWi Aufruf an Stadtwerke: Noch bis 30. Juni 2023 an der Umfrage teilnehmen F Wie beeinflussen Wasserversorgung und Artenvielfalt einander? Dies ist eine der Kernfragen des Projekts „Biodiversität in der Wasserwirtschaft“ (BioWaWi). Hauptziel ist es, denWert von Biodiversität, Ökosystemen und Leistungen in die Entscheidungsprozesse von wasserwirtschaftlich operierenden, kommunalen Unternehmen zu integrieren. Entwickelt und erprobt wird dies am Beispiel der Stadtwerke Bühl (SWB). Dafür werden am Beispiel der Wasserschutzgebiete der Stadt Bühl u. a. Erfassungen zur Biodiversität durchgeführt, ein meteorologisches Messnetz, das auch die Bodenfeuchte berücksichtigt, aufgebaut und der Wasserhaushalt in den Wasserschutzgebieten modelliert. Um die Konzeptentwicklung auch auf die Situationen von Wasserschutzgebieten anderer Wasserversorger bundesweit zu übertragen, führen die Universität Potsdam und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) eine Umfrage durch. Diese befasst sich mit den Themenfeldern „Details zu Wasserschutzgebieten“, „Trinkwassergewinnung und Prozessabläufe“ sowie „Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen“. Stadtwerke haben die Möglichkeit, den Fragebogen bis zum 30. Juni 2023 online auszufüllen, dazu werden nur rund 15 Minuten benötigt. Die Projektkoordinatorenweisen darauf hin, dass jedes Stadtwerk mit der Umfrageteilnahme zu neuen Erkenntnissen zum Themenfeld „Schutz und Erhalt der Biodiversität und der Ökosystemdienstleistungen in Wasserschutzgebieten“ beiträgt. Fragen dazu beantworten Alice Krehl (wissenschaftliche Mitarbeiterin, Universität Potsdam, E-Mail: alice. krehl@uni-potsdam.de, Tel.: 0331 977-230195) und Dr. Flavia Digiacomo (Projektkoordinatorin BioWaWi, KIT, E-Mail: flavia.digiacomo@kit.edu, Tel.: 0721 608-42758). P +INFORMATIONS-PLUS Hier geht’s zur Umfrage: https://survey.uni-potsdam.de/s/ c9c2656d/de.html Quelle: bluedesign/fotolia.com 8 energie | wasser-praxis 6+7/2023 N A C H R I C H T E N

Bestehendes Datenangebot erweitert INES präsentiert interaktive Karte für Gas- und Wasserstoffspeicher in Deutschland F Die Initiative Energien Speichern e. V. (INES) repräsentiert mit ihren 14 Mitgliedern über 90 Prozent der deutschen Gasspeicherkapazitäten, die auch die Entwicklung von Untergrund-Wasserstoffspeichern vorantreiben. Damit zählen sie zu Vorreitern dieser Energiewende-Technologie. Im Mai hat die INES nun eine neue interaktive Karte für die Gas- und Wasserstoffspeicher in Deutschland vorgestellt. Das bisherige Datenangebot erweitert sich damit um die für die Energiewende wichtigenWasserstoffspeicher. Hier lässt sich mit unterschiedlichen Filteroptionen die Entwicklung der Untergrundspeicher verfolgen, denn es werden auch geplante Speicherstandorte angezeigt. Für jeden Standort können sich Interessierte die Gas- und Filterart, den Speichertyp sowie den aktuellen Füllstand anzeigen lassen. Auch ein Download der angezeigten Daten ist möglich. P www.erdgasspeicher.de/erdgasspeicher/gasspeicher-fuellstaende/ Verbände unterzeichnen Kooperationsvertrag H₂-Produktion auf See soll gestärkt werden F Grüner Wasserstoff ist der Energieträger des 21. Jahrhunderts und bildet zusammen mit regenerativen Primärenergien die Basis für die Energiewirtschaft der Zukunft. Dieses gemeinsame Verständnis hat den Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband (DWV) und den AquaVentusFörderverein e. V. zusammengebracht, die im April dieses Jahres einen gemeinsamen Kooperationsvertrag unterschrieben haben. Zusammen wollen sie die Wasserstoffproduktion durch Windkraft auf See und den anschließenden PipelineTransport in der Nordsee vorantreiben. Mit dem DWV als starkem Partner ist AquaVentus nun auch im politischen Berlin vertreten. Stabile und belastbare Partnerschaften sind für den Förderverein essenziell, um seinem Anspruch, einen wichtigen Beitrag zur europäischen Energiewende und zur deutschen Versorgungssicherheit zu leisten, gerecht zu werden. Auch der DWV sieht in der Kooperation eine wichtige Chance, die deutschen Klimaziele zu erreichen und gemeinsam eine neue Ära klimafreundlicher Energie einzuläuten – und zwar durch die Erzeugung von grünemWasserstoff auf See und die dazugehörige Transportinfrastruktur. P 9 energie | wasser-praxis 6+7/2023 Crashkur s: Wasserst off- Expertise in 3 Tage n 26. – 28. Septembe r 2023, on line DVGW Kongress GmbH www.dvgw-kongress.de/ crashkurs-wasserstoff l Themen lWertschöpfungskette von der Produktion zur Anwendung lPolitischer und rechtlicher Rahmen lEntwicklung einer zukünftigen H 2-Netzplanung lWie können Stadtwerke von der Energiewende profitieren? © shutterstock.com/ peterschreiber.media Jetzt für unsere Onlineve ranstaltu ng anmelde n!

gat | wat 2023 in Köln: Neuer Termin, bewährtes Konzept Geopolitische Krisen, Klimawandel, Energiewende, Anpassung der Wasserinfrastruktur: Der DVGW diskutiert am 6. und 7. September 2023 in Köln mit Politik, Wissenschaft und Wirtschaft unter der Maxime „Stark in die Zukunft“ Lösungsstrategien für die drängendsten Herausforderungen, vor denen die Energie- und Wasserversorgung jetzt und in Zukunft steht. F Die Energie- und Wasserversorgung wird durch externe Einflüsse vor immer komplexere Herausforderungen gestellt. Um Emissionen zu reduzieren und gleichzeitig den Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern, spielt der Wasserstoffhochlauf eine entscheidende Rolle. Im Bereich der Wasserversorgung wiederum sind Anpassung und Resilienz der Infrastruktursysteme durch Einfluss des Klimawandels gleichermaßen relevant. In zahlreichen Initiativen konnte die Energie- und Wasserwirtschaft bereits Fortschritte erzielen und mit wissenschaftlichem Know-how und dezidierter Umsetzungsstärke punkten. Die am 6. und 7. September 2023 in Köln stattfindende gat | wat 2023 greift unter demMotto „Stark in die Zukunft“ diese vielfältigen Themen auf: Die Leitmesse der Energie- und Wasserwirtschaft bietet den idealen Rahmen für einen intensiven Erfahrungsaustausch, der sich bereits in der Vergangenheit als wichtiger Erfolgsfaktor erwiesen hat. „Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft muss schnellstmöglich erfolgen“, sagt der DVGW-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Gerald Linke. Wasserstoff sei vielseitig einsetzbar und durch seine Speicherfähigkeit anderen erneuerbaren Energien überlegen. „Die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen müssen schnellstens angepasst werden, damit Wasserstoff diese Vorteile ausspielen kann“, so Gerald Linke. Auch die Herausforderungen, in Zukunft weiterhin eine sichere Versorgung mit Trinkwasser für alle Menschen in Deutschland zu gewährleisten, nehmen angesichts häufigerer und länger anhaltender Hitze- und Trockenperioden deutlich zu. Extremwetterlagen der jüngeren Vergangenheit verdeutlichen die Grenzen einer sicheren Versorgung und die Vulnerabilität der Infrastruktur. „Aus diesem Grund müssen wir jetzt Weichenstellungen vornehmen. Anpassungs- und Resilienzmaßnahmen müssen in Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungsträgern und Behörden vorausschauend Quelle: DVGW Die ausführliche gat | wat-Vorschau erscheint in Ausgabe 8/2023! 10 energie | wasser-praxis 6+7/2023 N A C H R I C H T E N

und frühzeitig geplant und umgesetzt werden“, betont Dr. Wolf Merkel, DVGW-Vorstand Wasser. Diese und weitere Anforderungen zur Erhöhung der Resilienz unserer Versorgungssysteme, gepaart mit deren Transformation imHinblick auf die angestrebte Klimaneutralität Deutschlands bis 2045, stehen auf der Agenda der gat | wat in der KölnMesse. Mehrere hundert Teilnehmende bündeln hier das Know-how der Branche zu einer umfassenden Standortbestimmung. Freuen Sie sich auf den übergreifenden Dialog mit Politik, Wissenschaft und Wirtschaft und treffen Sie zahlreiche Referentinnen und Referenten live in der Domstadt. Ergänzt wird die Präsenz-Veranstaltung auch in diesem Jahr durch ein vielfältiges Online-Zusatzprogramm vom 21. August bis zum 29. September 2023. Außerdem gibt es mit dem Praktiker Forum in diesem Jahr erstmals auch ein Vortragsprogramm für Messebesucherinnen und -besucher zu den Neuerungen des technischen Regelwerks. Mehr als 150 Aussteller stehen auf 10.000 m² für Fragen zu aktueller Technik und Dienstleistungen rund um den Netz- und Anlagenbetrieb zur Verfügung. Alle Besucher sind außerdem zur Abendveranstaltung in der Messehalle eingeladen, um sich intensiv auszutauschen oder die DVGW-Landesgruppen im Landesgruppen-Wirtshaus zu besuchen. P +INFORMATIONS-PLUS Weitere Informationen zum Programm und zur Anmeldung unter www.gat-wat.de MEORGA zu Gast in Hamburg Fachmesse für Mess-, Steuerungs- und Regeltechnik am 21. Juni 2023 FAuf der von MEORGA organisierten MSR-Spezialmesse für die Wirtschaftsregion Norddeutschland präsentieren 150 Fachfirmen ihr Leistungsspektrum, ihre Geräte und Systeme, Engineering- und Serviceleistungen. Auch neue Trends im Bereich Automatisierung und insgesamt 36 praxisnahe Fachvorträge informieren die Besucher und Besucherinnen über den aktuellen Stand in der Branche. In professioneller und serviceorientierter Messeatmosphäre sowie bei Fachgesprächen mit den regionalen Ansprechpartnern können Sie neue und bestehende Kundenkontakte gewinnen und pflegen. Die Fachmesse für Mess-, Steuerungs- und Regeltechnik, Prozessleitsysteme und Automatisierungstechnik richtet sich an Fachleute und Entscheidungsträger und findet am 21. Juni 2023 in der MesseHalle in Hamburg-Schnelsen statt. Für den Besuch ist lediglich eine OnlineRegistrierung erforderlich. Mit dem generiertenQR-Code können Sie kostenfrei an der Messe und den Fachvorträgen teilnehmen. P https://meorga.de/anmeldung.php Quelle: DVGW 11 energie | wasser-praxis 6+7/2023

F Deutschland steht vor der großen Herausforderung, bis 2045 klimaneutral zu werden. Vor diesem Hintergrund haben DVGW, BDEWund Zukunft Gas e. V. in den vergangenenMonaten gemeinsam mit ihren Mitgliedsunternehmen und externen Stakeholdern einen Transformationspfad hin zur Klimaneutralität entworfen. Die wesentliche Botschaft lautet: Erdgas wird bis zum Jahr 2045 bedeutungslos, es gibt jedoch genug Potenzial für günstige Alternativen. Statt des fossilen Brennstoffs aus dem Boden stehe nun die Produktion und Verteilung klimaneutraler Gase im Fokus, so der Tenor bei der gemeinsamen Vorstellung des Transformationspfads im Mai 2023 in Berlin. Ein wesentlicher Faktor für einen erfolgreichen Transformationsprozess des Energiesystems bildet dabei nach den Worten von Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW, die Gasnetzinfrastruktur: „Die Kernaufgabe der nächsten Jahre wird die Umstellung von bestehenden Infrastrukturen auf neue Versorgungsaufgaben sein. Der Ausgangspunkt für die zukünftigen Netze und Speicher für neue Gase ist die Gasinfrastruktur.“ Das heute rund eine halbe Million Kilometer lange Leitungsnetz sei bereit, Gase hin zu den Anwendungen in Industrie und Wärme zu transportieren. Die stahlbasierte Gasleitungsinfrastruktur könne zu 100 Prozent Wasserstoff aufnehmen. „Unsere Untersuchungen zeigen darüber hinaus, dass die neuen Gase in ausreichenden Mengen und zu tragbaren Kosten verfügbar sein können, wenn die politischen Weichen entsprechend gestellt werden“, erklärte Linke. Die neuen Brennstoffe seien „unverzichtbar“, weil es einer allein auf Elektrifizierung basierenden Energiewende an Robustheit und Resilienz fehle. Im vergangenen Jahr hatte der ehemalige Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen die Kommunen dazu aufgefordert, mit Planungen zum „Rückbau der Gasnetze“ zu beginnen. Solche energiepolitischen Vorstellungen stoßen nun verstärkt auf den Widerstand der Gasversorger. „Wer von Rückbau spricht, spricht von Deindustrialisierung“, sagte Linke. Das deutsche Gasnetz habe einen Wert von 270 Mrd. Euro und transportiere mehr Energie als das Stromnetz, stellte Linke klar. „Die Netze fungieren als gewaltige Batterie für Deutschland. AmGasnetz hängt nicht nur die Wärmeversorgung von 14 Mio. Haushalten, sondern auch mit 1,8 Mio. Unternehmen das Herz unserer Wirtschaft.“ Statt Erdgas (Methan) könnten über das Netz auch klimaneutrale Brennstoffe transportiert werden. Linke verwies auf internationale Studien, die einen Wasserstoffpreis von einembis 1,50 Euro pro Kilogramm am Herstellungsort voraussagen. Einschließlich des Transports „wären das in Deutschland vier Euro pro Kilogramm, das wäre unter dem Erdgaspreis“, so Linke. Dr. Timm Kehler, Vorstand von Zukunft Gas e. V., macht deutlich, dass die Gaswirtschaft ihre Transformation nicht allein planen und umsetzen könne, sondern dies vielmehr das Ergebnis eines engen und partnerschaftlichen Austauschs mit allen relevanten Akteuren sein müsse: „Wir haben die unbedingte Ambition, den Umbau des Gassystems technisch und unternehmerisch umzusetzen. Als Gas- und Wasserstoffwirtschaft stehen wir Politik, Kunden und Gesellschaft als kompetenter und starker Partner mit Knowhow, internationalem Netzwerk und Gestaltungswillen für die Erreichung der Klimaziele zur Seite.“ Dr. Kirsten Westphal, Mitglied der Hauptgeschäftsführung beimBDEW, betonte, dass speicherfähige neue Gase und erneuerbare Stromerzeugung in der klimaneutralen Energiewirtschaft der Zukunft gemeinsam ein resilientes Energiesystem bildeten. „Dazu gehören die Vorhaltung alternativer Lösungen, rasche Reaktions- und Regenerationsfähigkeit im Belastungsfall und ausreichend bemessene Infrastruktur.“ Es sei wichtig, den Lösungsraum nicht zu verengen, soWestphal weiter, wohl auch mit Blick auf die umstritteneWärmepumpen-Strategie der Bundesregierung: Neue Gase seien „nicht nur der Joker in der Hinterhand, sondern in beiden Händen.“ Der Transformationspfad beinhaltet auch die Forderung, die gesetzliche Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung vorzuziehen, bevor Verbraucher durch das Gebäudeenergiegesetz (GEG) konkret zum Einbau einer bestimmten Heiztechnik veranlasst würden. Erst wenn feststehe, wo Nah- und Fernwärmenetze verlegt werden, wo Wasserstoff oder Biomethan regional verfügbar sei, könnten Bürger über ihren Heizungskauf entscheiden. „Die Lösung wird vor Ort entschieden, nicht in Berlin“, so Gerald Linke. P WEGE ZU EINEM RESILIENTEN UND KLIMANEUTRALEN ENERGIESYSTEM 2045 TRANSFORMATIONSPFAD FÜR DIE NEUEN GASE Verbände entwerfen Transformationspfad bis 2045 Die Gaswirtschaft wird zur Wasserstoffwirtschaft +INFORMATIONS-PLUS Die Broschüre „Wege zu einem resilienten und klimaneutralen Energiesystem 2045 – Transformationspfad für die neuen Gase“ gibt es zum kostenfreien Download unter www.dvgw.de. 12 energie | wasser-praxis 6+7/2023 N A C H R I C H T E N

Mall aktualisiert Publikation Ratgeber Überflutungs- und Rückstauschutz in 3. Auflage erschienen F Immer häufiger und intensiver auftretende Starkregenereignisse gefährden Immobilien gleich doppelt: durch Überflutung und den möglichen Rückstau aus der überlasteten Kanalisation. Drei Jahre nach der letzten Veröffentlichung erscheint jetzt die 3. aktualisierte Auflage des Ratgebers Überflutungs- und Rückstauschutz von Mall, der sich an Planungsbüros, Kommunen, Handwerksbetriebe, die Wohnungswirtschaft sowie die Eigentümer von potenziell gefährdeten Grundstücken und Gebäuden richtet. In dem Ratgeber ordnen die Autorinnen und Autoren das Thema Starkregen in die aktuelle Klimawandeldiskussion ein und stellen mögliche städtebauliche Ideen und Mittel vor, wie das Starkregenrisikominimiert werden kann. Auch technische Möglichkeiten für bauliche Maßnahmen sowie der Versicherungsschutz werden behandelt. Zudem finden sich einige Anwendungsbeispiele aus unterschiedlichen Branchen. P +INFORMATIONS-PLUS Interessierte können den Ratgeber aus der Fachbuchreihe „Ökologie aktuell“ auf der Website von Mall unter www.mall.info/ kontakt/infomaterial-bestellen/#informationsmaterial-bestellen beziehen. Quelle: Mall GmbH BUCHTIPP Fallstudien zur Anpassung wasserwirtschaftlicher Infrastruktur an den Klimawandel In seiner Dissertation untersucht Dr. rer. pol. Clemens Strehl den Einfluss des Klimawandels auf das Versagensrisiko wasserwirtschaftlicher Infrastruktur und evaluiert Anpassungsmaßnahmen. Anhand von vier Fallstudien zu Überflutungs-, Umwelt- und Wasserversorgungsrisiken geht Strehl hierbei der Frage nach, wie die Ausrichtung der Wasserwirtschaft auf den Klimawandel bewerkstelligt werden kann. Aus seinen Ergebnissen leitet er ein Management-Schema zur Anpassung der wasserwirtschaftlichen Infrastruktur ab. Die Dissertation ist im wvgw-Shop unter www.shop.wvgw.de/312110 erhältlich. Quelle: wvgw 13 energie | wasser-praxis 6+7/2023 WENN MATERIAL DEN UNTERSCHIED MACHT ... KROHNE DRUCKMESSTECHNIK – FÜR DEN FEINEN UNTERSCHIED Erfahren Sie mehr über die OPTIBAR Serie: druckmesstechnik-wasser.krohne.com • Robuste keramische Membran für raue Umgebungen • Langlebige, widerstandsfähige Materialien • Vakuumbeständig unter allen Temperaturen • Standardgehäusewerkstoff aus robustem, korrosions- beständigem Edelstahl 316L • Breite Auswahl an branchen- spezifischen Drucktransmittern, Druckmittlern und Wirkdruckgebern

Würden Sie Geräte in Ihrem Gasnetz oder in Ihre Gasanlagen einbauen, die Sie noch nicht und niemand vor Ihnen eingesetzt hat? Wohl kaum bedenkenlos – das gilt insbesondere für Sicherheitseinrichtungen. Und wie sieht es mit Wasserstoff aus, wenn das Produkt oder Gerät vorher nur für Erdgas seine Eignung hinreichend bewiesen hat? Was ist also zu tun, wenn es mit Wasserstoff oder wasserstoffhaltigen Gasen betrieben werden soll? Naheliegend ist, dieses Produkt in vergleichbaren, aber nicht sicherheitsrelevanten Anwendungen vor dem Einsatz in eigenen Gasanlagen auf seine Eignung zu testen und das Verhalten bzw. den Leistungsumfang über einen definierten Zeitraum zu prüfen und dabei zu überwachen. Bei positivem Ausgang der Erprobung wird das Versuchsergebnis als Basis genutzt, um die Eignung für den Anwendungsfall festzustellen – das geprüfte Produkt kann dann auch sicherheitstechnisch eingesetzt werden. So weit der Idealfall und oft geübte Praxis bei methanreichen Gasen. Aber kann die Wasserstofftauglichkeit auch von Anlagen durch Erprobung festgestellt werden? Wie beliebig ist die Auswahl der Testbedingungen und was ist dabei zu beachten? Welche Alternativen bestehen und was ist in den Fällen, in denen eine Erprobung nicht vertretbar oder unmöglich ist, zu beachten? Schon allein diese wenigen Fragen bieten viel Raum für Diskussionsstoff – eine Gelegenheit, die Rolle der Erprobung des Produktes zur Feststellung der Wasserstoffeignung oder gleichwertige Methoden zu erörtern. Technische Sicherheit des Gasnetzes Gasnetze gelten als technisch sicher, wenn sie frei von unvertretbaren Risiken für Personen, Umweltobjekte und die öffentliche Sicherheit betrieben werden. Dies schließt den bestimmungsgemäßen Gebrauch sowie die Beherrschung von Störungen über die gesamte Nutzungsdauer ein [1–3]. Das Risiko ist die quantitative und qualitative Charakterisierung eines Schadens bezüglich der Möglichkeit seines Eintreffens und der Tragweite der Schadenswirkung. Die Vorgabe „Freiheit von unvertretbaren Risiken“ für die Gasnetze ist dann erfüllt, wenn sicherheitsrelevante Qualitätsmerkmale der Gasnetze und deren Bestandteile dieser Vorgabe entsprechen. Hierzu legt das DVGW-Regelwerk eine Reihe von Anforderungen fest: • sichere Gestaltung und Auslegung der Gasnetze • Prüfungen zur Inbetriebnahme, wiederkehrende Prüfung und laufende Überwachung • Bauteileignung und Zuverlässigkeit • Arbeits- und Umweltschutz • sicherer Betrieb (Gewährleistung der bestimmungsgemäßen Funktion und Gebrauch über die Nutzungsdauer, Stilllegung und Rückbau) • Instandhaltung (Inspektion/Wartung/ Funktionskontrolle) und Instandsetzung • Schutzziele • Schutzmaßnahmen (wie z. B. Sicherheitseinrichtungen zur Vermeidung unzulässiger Drucküberschreitung und den Explosionsschutz) • Betriebskonzepte mit Betriebsanweisungen inklusive Gefahrenhinweisen, Meldeketten, Alarm und Gefahrenabwehrmaßnahmen • Weiterbildung aller Beteiligten Der DVGW ist seit der Überarbeitung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) im Sommer 2021 auch Regelsetzer für die leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Wasserstoff geworden. Das bedeutet, dass das einzuhaltende Sicherheitsniveau durch das DVGW-­ Regelwerk festgelegt wird. Im EnWG werden des Weiteren die Aufgaben der Netzbetreiber festgelegt, die aus der Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Gasversorgung bestehen. Dies erfordert u. a. die sicherheitsgerichtete Gestaltung, die Gewährleistung der bestimmungsgemäßen Funktion sowie Wasserstofftauglichkeit von Anlagen und Anlagenkomponenten – die Rolle der betrieblichen Erprobung Die Gewährleistung der technischen Betriebssicherheit von Geräten und Anlagen der Gasinfrastruktur bedingt, dass sich eingesetzte technische Lösungen in der Praxis bewährt haben bzw. zumindest im Betrieb mit Erfolg erprobt worden sind. Die Feststellung dieser Betriebsbewährung erfolgt im Idealfall durch eine Prüfung oder betriebliche Erprobung mit dem Ziel, die Bestätigung der Wasserstofftauglichkeit in einer konkreten Anwendung nachzuweisen. In diesem Fachaufsatz werden Anforderungen an Erprobungen und gleichwertige Alternativen diskutiert. von: Dr. Klaus Steiner & Dr. Doris Niggemann (beide: Erdgas & Verwandtes) 14 energie | wasser-praxis 6+7/2023 T E C H N I K

der technischen Betriebssicherheit über die Nutzungsdauer der Gasnetze. Die Lösung für beide Anforderungen des EnWG, die eigenverantwortliche Regelsetzung der Gasbranche und die Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Gasversorgung, besteht durch die Anwendung und Erfüllung der Anforderungen des DVGW-Regelwerkes für alle Gase nach dem DVGW-Arbeitsblatt G 260, also auch für wasserstoffhaltige Gase und Wasserstoff [4]. Der Gesetzgeber geht davon aus bzw. vermutet, dass durch die Einhaltung der Anforderungen des DVGW-Regelwerkes im Niederdruck bis 16 bar einschließlich die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ bzw. über 16 bar der „Stand der Technik“ eingehalten werden. Dies stellt zum einen eine Privilegierung der Gasbranche dar, indem die Branche eigenverantwortlich das Sicherheitsniveau für die leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Gasen – und damit auch für Wasserstoff – festlegt. Zum anderen bedeutet dies Rechtssicherheit bei der Anwendung und Umsetzung der Anforderungen des DVGW-Regelwerks. Die Vermutung zugunsten des DVGW-Regelwerks schließt die Anwendung anderer Regeln zwar nicht aus. Der Anwender anderer Regeln muss aber im Streitfall die Einhaltung des Sicherheitsniveaus der Technikklauseln „Stand der Technik“ und „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ belegen. Der Gesetzgeber klassifiziert das einzuhaltende Sicherheitsniveau nach dem Gefährdungspotenzial und nach der technischen Beherrschbarkeit dieses Gefährdungspotenzials. Für Gasnetze mit einem Auslegungsdruck bis einschließlich 16 bar wird das Gefährdungspotenzial als gering eingestuft. Technische Lösungen sind nach herrschender Auffassung der Branche geeignet, das gesetzliche Ziel der technischen Betriebssicherheit der Gasnetze zu erreichen, und zeichnen sich durch eine langjährige betriebliche Praxis aus. Konsequenterweise wird die Einhaltung der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ gefordert. Die Gashochdruckleitungsverordnung (GasHDrLtgV) stuft das Gefährdungspotenzial für Gasnetze mit einem Auslegungsdruck oberhalb von 16 bar höher ein. Konsequenterweise wird hier die Einhaltung des „Standes der Technik“ gefordert. Gemeint sind technische Lösungen, die nach herrschender Auffassung führender Fachleute das Erreichen des gesetzlichen Ziels gesichert erscheinen lassen. Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen müssen sich in der Praxis bewährt haben oder sollten – wenn dies noch nicht der Fall ist – möglichst im Betrieb mit Erfolg erprobt worden sein. International wird dann oft von der „Best Available Technology“ gesprochen. Beide Technik- oder Generalklauseln kennzeichnen einen Entwicklungsstand technischer Lösungen und Verfahren zur Erreichung eines bestimmten praktischen Ziels. Betriebsbewährte Lösungen werden u. a. in technischen Regelwerken oder Normen privater und staatlicher Regelsetzer beschrieben und publiziert, Beispiele hierfür sind die Normen und Standards der/des ISO, DIN, IEC, CEN, CENELC, VDI, VDE oder DVGW [5]. Betriebsbewährung – in der Praxis bewährt Für die Namur-Empfehlung NE 130 ist die Feststellung der Betriebsbewährung von Geräten für Überwachungs- und Schutzeinrichtungen der Nachweis der Anwendungseignung durch den Betreiber, die weder durch den Hersteller noch durch Zertifikate gewährleistet werden Abb. 1: Sicherheitsabsperreinrichtungen in einer Wasserstoff- erzeugungsanlage B Quelle: Dr. Klaus Steiner 15 energie | wasser-praxis 6+7/2023

kann [6]. Ziel dieses Nachweises ist das Erkennen und die Vermeidung gerätebezogener systematischer Fehler. Der Einsatz eines betriebsbewährten Gerätes oder einer Sicherheitseinrichtung entbindet den Betreiber aber nicht von seiner Verantwortung, die Eignung für einen weiteren speziellen Anwendungsfall sicherzustellen. Für die TRGS 725 liegt betriebsbewährte MSR-Technik dann vor, wenn für die Funktionseinheit ihre Eignung im Anwendungsfall nachgewiesen worden ist. Hierzu muss u. a. das Systemmindestens über ein Jahr erprobt sowie systematische Fehler ausgeschlossen worden sein [7]. Für die DIN EN 61511-1 ist Betriebsbewährung eine dokumentierte Beurteilung, die auf Betriebserfahrung in einer ähnlichen Umgebung beruht, die zeigt, dass ein Gerät für die Verwendung in einem sicherheitstechnischen System geeignet ist und es die Anforderungen hinsichtlich der Funktion und der Sicherheitsintegrität erfüllen kann. Um ein Gerät für ein sicherheitstechnisches System auf der Grundlage einer Betriebsbewährung zu qualifizieren, sollte der Anwender dokumentieren, dass das Gerät eine befriedigende Leistung in einer ähnlichen Betriebsumgebung erreicht hat. Das Verständnis dafür, wie sich das Betriebsmittel in einer bestimmten Betriebsumgebung verhält, ist erforderlich, um mit hoher Gewissheit annehmen zu können, dass der beabsichtigte Entwurf, die beabsichtigte Sichtprüfung, Prüfung, Instandhaltung und die beabsichtigten betrieblichen Praktiken angemessen sind [8]. Kennzeichnend für obige Definitionen der Betriebsbewährung ist, dass die Erprobung und Betriebserfahrungen wesentliche Kriterien für die Feststellung der Betriebsbewährung eines Gerätes oder Systems darstellen. Die Erprobung kann in der konkreten Anwendung oder in einer ähnlichen Umgebung erfolgen. Darüber hinaus wird deutlich, dass nur der Betreiber bzw. Anwender die Betriebsbewährung feststellen kann. H2-Readiness Für den europäischen technisch-wissenschaftlichen Verband der Gasgerätehersteller FARECOGAZ sind Komponenten und Geräte für die leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit dann „H2-Ready“ bzw. „wasserstofftauglich“, wenn die technischen (insbesondere sicherheitstechnischen) und rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, die den sofortigen Betrieb der Produkte mit allen zulässigen Brenngasen, also auch mit Wasserstoff und wasserstoffhaltigen Gasen, gestatten (H2-Readiness). Im Fall von Einschränkungen bei der Wasserstoffeignung sind die zulässigenWasserstoffanteile im Gas in den Unterlagen zum Produkt vermerkt [9]. In seiner Information GAS Nr. 29 verweist der DVGW darauf, dass Wasserstofftauglichkeit eines Netzabschnittes bedeutet, für den Betrieb mit bzw. die Anwendung von Wasserstoff vorbereitet zu sein. ZumZeitpunkt der Umstellung auf Wasserstoff sind ggf. zusätzliche Maßnahmen erforderlich. Gasgeräte und -anwendungen gelten dann als H2-Ready bzw. wasserstofftauglich, wenn sie amAufstellort auf Wasserstoff umstell- bzw. umrüstbar sind. Zur Bewertung auf Wasserstofftauglichkeit sind neben technischen auch rechtliche, organisatorische und betriebliche Aspekte sowie der Zustand der leitungsgebundenen Infrastruktur zu berücksichtigen. Neben dem bestehenden DVGW-Regelwerk sind die beiden H2-Leitfäden G 221 und G 655 zu berücksichtigen [10–12]. Es soll an dieser Stelle nochmals explizit festgehalten werden, dass die Gasinfrastruktur inkl. aller Komponenten und Geräte dann und nur dann wasserstofftauglich ist, wenn der Betreiber die Eignung festgestellt hat. Dies kann auch unter Nutzung diverser Erkenntnisquellen (wie z. B. Herstellerangaben, Gutachten, Berechnungen oder Normen) erfolgen. Mit dieser Feststellung weist der Betreiber nach, dass das Sicherheitsniveau des DVGW-Regelwerkes für die leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit für alle Gase, also auch für wasserstoffhaltige Gase und Wasserstoff, gewährleistet ist. Seine technischen Lösungen entsprechen den geforderten Technikklauseln des EnWG bzw. der GasHDrLtgV und haben sich somit in der Praxis bewährt bzw. sind zumindest imBetrieb mit Erfolg erprobt worden. Sie gelten daher als den betrieblichen Praktiken angemessen oder als betriebsbewährt. Prüfsiegel sind derzeit nicht hinreichend zum Nachweis der generellen Wasserstofftauglichkeit von Geräten und Komponenten in Anlagen oder spezifischen Anwendungen der Gasbranche. Ohne allgemein verbindliche Prüfgrundlage sind Abb. 2: Drehkolbenzähler für die eichpflichtige Messung von Wasserstoff Q Prüfsiegel herstellerspezifisch bzw. abhängig von den Kriteuelle: Dr. Klaus Steiner 16 energie | wasser-praxis 6+7/2023 T E C H N I K

rien der jeweiligen Prüfinstitution. Aktuelle Prüfsiegel sind daher eher eine Qualitätssicherungsmaßnahme, um die Herstellerangaben unabhängig vom Hersteller zu validieren. Herstellerangaben beschreiben die Eignung, Funktionalität und Leistung eines Produktes oder Systems für einen vom Hersteller festgelegten Anwendungsbereich [13]. Dies kann, muss aber nicht notwendigerweise die Anwendung des Produktes in einer bestimmten Anlage oder einem Netzabschnitt umfassen: Wenn beispielsweise die Funktionalität von Sicherheitsabsperrventilen mit freiem Durchgang für bis zu 70 Meter pro Sekunde (m/s) Strömungsgeschwindigkeit (SAV) vom Hersteller garantiert wird, heißt das noch lange nicht, dass eine Regelstrecke mit einem solchen SAV technisch sicher bis zu dieser Strömungsgeschwindigkeit betrieben werden kann. Falls sie so ausgelegt und betrieben werden soll, muss die technische Sicherheit der Regelstrecke bzw. Gesamtanlage vom Betreiber unter Berücksichtigung aller möglichen Wechselwirkungen in der Anlage und den Betriebsbedingungen sichergestellt werden. Herstellerangaben in Form von Datenblättern, Prüfbescheinigungen sowie Abnahme- und Werkszeugnissen müssen daher vom Betreiber anhand seiner Anlagen- und Leitungsspezifikation auf Eignung für die konkrete Anwendung geprüft werden. Dies gilt insbesondere im Fall des Einsatzes von Produkten, die für methanreiche Gase betriebsbewährt sind, aber für wasserstoffhaltige Gase oder Wasserstoff eingesetzt werden solAbb. 3: Automatisierte Armatur mit sicherheitstechnischer Aufgabenstellung zur Netztrennung einer Wasserstoff-Pipeline von einer Erdgas-Fernleitung in einer Wasserstoff-Einspeiseanlage len. Praktisch tritt der Fall bei der Umstellung von Anlagen oder Netzabschnitten nach dem EnWG von methanreichen Gasen der 2. Gasfamilie auf Wasserstoff der 5. Gasfamilie auf. Anforderungen für die Umstellung und zielführende Methoden zur Feststellung der Wasserstofftauglichkeit werden in den beiden DVGW-Merkblättern G 221 und G 655 im Detail beschrieben. Diese Prüfung der Eignung der Produkte in Anlagen bzw. einemNetzabschnitt entbinden den Betreiber aber nicht von seiner Verantwortung zur richtigen und technisch sicheren Auslegung und Betrieb der Anlage und ersetzen nicht die erforderlichen Prüfungen und Abnahmen zur Inbetriebnahme und Betrieb, wie sie im DVGW-Regelwerk objektspezifisch festgelegt sind. Anforderungen an die Erprobung Das Ziel der Erprobung ist die Bestätigung der Eignung, insbesondere der sicherheitstechnischen Eignung der Geräte und Anlagen unter Betriebsbedingungen in der Gasinfrastruktur. Dies gilt unabhängig davon, ob betrieblich im Gasnetz erprobt wird oder in vergleichbarer Umgebung. All diese Anwendungsfälle sind so zu wählen, dass das spätere betriebliche Leistungsspektrum und B Quelle: Dr. Klaus Steiner 17 energie | wasser-praxis 6+7/2023 05 Die SHT, Sanitär- und Heizungstechnik Ausgabe 5, enthält Beiträge zu den Themen Sanitär-, Heizungs- sowie Lüftungstechnik und stellt Referenzobjekte sowie neue Produkte und Normen aus diesen Bereichen vor. Lesen Sie darüber hinaus u. a. mehr zu den Themen: • Wärmepumpe Auslegung einer Luft-Wasser-Wärmepumpe nach VDI 4645 • 2. GEG-Novelle Einzelheiten zum Gesetzentwurf • Klimatechnik Klimatisierung von Rechenzentren – aber richtig! Weitere Nachrichten, Termine und Informationen unter www.sht-online.de. Kostenloses Probeheft unter vertrieb@krammerag.de.

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