DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 03/2022

E D I T O R I A L Andreas Schick Liebe Leserinnen und Leser, die neue Koalition hat ihre Arbeit aufgenommen – und die Feststellung, dass Deutschland in Sachen Energiewende nicht auf Kurs ist, klingt für viele altbekannt: „Ohne GegensteuernwirdDeutschland seineKlimaziele für 2030deutlich verfehlen“, soBundeswirtschafts- undKlimaminister Robert Habeck. Um das Ruder herumzureißen, hat die neue Bundesregierung konkreteVorstellungen für denGebäudesektor angedacht: Ab 2025 sollen „neue Heizungen“ zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden, im Wärmemarkt soll der Anteil grüner Energie bis 2030 auf 50 Prozent steigen. Auch auf EU-Ebene werden die Zielvorgaben verschärft: Der Entwurf der Gebäuderichtlinie vomDezember 2021 lässt ab 2030 nur noch den Bau von Null-Energie-Gebäuden zu, die ihre Energie entweder eigenständig gewinnen oder aus einer nahen Energie-Community beziehen. Für uns Energieversorger ist es nun entscheidender denn je, unsere Positionen und unsere Erfahrungen in die Debatte einzubringen. Hindernisse wie der verschleppte Stromnetzausbau, verzögerte Genehmigungsverfahren mit früher Öffentlichkeitsbeteiligung und Einflussfaktoren in der Bauleitplanung, die limitierte Handwerkerverfügbarkeit oder die sozioökonomische Wirklichkeit der Gebäudebesitzer sindnicht immer inEinklang zu bringenmit den abstrakten Systemstudien, die den vermeintlichenWeg zur Klimaneutralität weisen. Daher liegt es an uns, unsere Visionen und Konzepte zurDekarbonisierung indieWaagschale zuwerfen und mutig zu vertreten. Vor allem unser Wissen um die Infrastruktur vor Ort und die damit einhergehendenChancen und Grenzen machen uns zu einem unverzichtbaren Gestalter und einem Schlüsselelement in der Energiewende. Mit diesemAnspruchhaben sich eine Reihe vonVerteilnetzbetreibern mit dem DVGW und dem VKU zur Initiative H2vorOrt zusammengeschlossen. Wir alle teilen die Überzeugung, dass eine Wasserstofftransformation der Gasverteilnetze ein entscheidender Baustein für eine ökonomische, soziale und unverzügliche Energiewende ist. Umdie voranschreitende Umstellung deutschlandweit zu koordinieren und in ein kohärentes Gesamtbild zu überführen, starten wir dieses Jahr eine beispiellose Brancheninitiative für die über 700 Gasverteilnetzbetreiber. Hinter demcharmantenNamen „Gasnetzgebietstransformationsplan“ (GTP) verbirgt sich die Weiterentwicklung konkreter Konzepte, wie die Gasverteilnetze unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten bestmöglich in die Klimaneutralität geführt werden können. Von entscheidender Bedeutung sind dabei nicht nur die individuellen Anforderungen der Gaskunden; auch die lokale Einspeisesituation spielt eine signifikante Rolle. ImRahmen des GTP ermitteln die Verteilnetzbetreiber konkrete Umstellzonen in ihren Netzgebieten, diedenWeg für die sukzessive Einspeisungvon Wasserstoff ebnen. Dem fortlaufenden Erkenntnisaufbau wirddurcheine jährlicheAktualisierungRechnung getragen. So soll der GTP bis spätestens 2025 einen hinreichenden Härtegrad für die konkrete Transformationerreichen. Genaueres erfahren Sie in Kürze vonH2vorOrt, DVGWund VKU. Es liegt nun an der Branche, den Beweis anzutreten, ambitioniert und zielstrebig die Energiewende zu gestalten und sie auch technischumzusetzen. DerGTP gibt uns einwertvolles Instrument an die Hand, die Wasserstofftransformation systematischRealität werden zu lassen. Die Strominfrastruktur wurde auf der Existenz der Gasinfrastruktur konzipiert – nicht umsonst gibt es physikalisch einen entscheidenden Unterschied zwischen Elektronen undMolekülen bzw. zwischen Arbeit und Leistung. Das Ziel im Blick, aber die Realität nicht aus den Augen zu verlieren – darin liegt die Herausforderung einer ökologischen, ökonomischenund vor allem auch sozialen Energie- undWärmewende. Ihr Andreas Schick Andreas Schick ist Geschäftsführer der Netze-Gesellschaft Südwest mbH. Die H ² -Transformation der Verteilnetze ist entscheidender Baustein für eine unverzügliche Energiewende! 3 energie | wasser-praxis 03/2022

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