DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 03/2022

Abb. 4: Berechneter relativer Abbau von verschiedenen Mikroschadstoffen während der Kontaktzeit, bis die ClO ²--Grenzwerte von Deutschland (gestreift) und den USA (schwarz) erreicht sind. Diese Werte wurden mithilfe der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten zweiter Ordnung aus der Literatur [2, 9, 10] und der gemessenen Exposition (∫[ClO ² ]dt) bei einer Dosierung von 100 µM ClO ² berechnet (Elimination = -k×∫[ClO ² ]dt) (übliche Dosierung bei der Voroxidation, USA). Diclofenac Sulfamethoxazol Ethinylestradiol Cetirizin Nitrit Trimethylamin Salicylsäure 2.4-hexadiene-1-ol Atenolol Ritalinsäure Carbamazepin 0 20 40 60 80 100 Mögliche Eliminierung (%) Einhaltung Grenzwert USA Einhaltung Grenzwert Deutschland Quelle: der Autor deutet, dass auch unter den realen Bedingungen der Trinkwasseraufbereitung fünf Äquivalente ClO2 pro abgebautem Äquivalent des Mikroschadstoffes benötigt werden. Der relative Unterschied in Höhe von etwa 10 Prozent (in beiden Fällen) zwischen der berechneten und der gemessenen Abbaukurve lässt sich durch die Entstehung von freiem Chlor erklären. Freies Chlor bildet sich in der Reaktion von ClO2 mit Matrixbestandteilen des Oberflächenwassers und reagiert sehr schnell mit Ritalinsäure und Cetirizin (Tab. 1). Dadurch zeigt sich, dass das gebildete freie Chlor positiv zumAbbau vonMikroschadstoffen beitragen kann. Allerdings muss noch untersucht werden, ob sich dabei unerwünschte DBPs bilden können. Außer demUnterschied im initialen Abbau durch freies Chlor verläuft der gemessene Abbau nahezu identisch mit den berechneten Verläufen. Dadurch, dass der Abbau der Mikroschadstoffe sehr gut anhand der Reaktionskinetik modelliert werden kann, ist esmöglich, diesesModell auf andereMikroschadstoffe (deren Reaktionskinetik bekannt ist) zu übertragen und deren Abbau zu prognostizieren. Allerdings ist die ClO2-Anwendung durch die Bildung von unerwünschtemClO2- limitiert. Abbildung 4 zeigt die mögliche Eliminationsrate verschiedener Mikroschadstoffe, die – unter Einhaltung der ClO2- -Grenzwerte – erreicht werden kann. Diese Rate wurden anhand der in der Literatur verfügbarenGeschwindigkeitskonstanten berechnet [2, 9, 10]. Die Ergebnisse zeigen, dass ClO2 für den Abbau von verschiedenen Mikroschadstoffen verwendet werden kann, bevor die Trinkwassergrenzwerte für ClO2- überschritten sind. Das gilt besonders für Mikroschadstoffe mit elektronenreichen Einheiten wie Diclofenac und Sulfamethoxazol (SMX). Es muss an dieser Stelle jedoch erwähnt werden, dass ClO2 im Vergleich zu Ozon ein geringeres Spektrum an Mikroschadstoffenabbauenkann. Ozonhingegen ist z. B. in der Lage, auch Mikroschadstoffe wie Carbamazepin sehr schnell zu oxidieren (k (O3 + Carbamazepin) = 3 × 105M - 1 s - 1), die durchClO2 kaum abbaubar sind [9]. Schlussfolgerung DiebeschriebeneUntersuchunghat gezeigt, dass ClO2 sehr komplexe Reaktionen mit Aminen aufweist, die bisher noch nicht ausreichend verstanden sind. Allerdings weisen die Modellverbindung MPP und der Mikroschadstoff Ritalinsäure einähnliches ReaktionsverhaltenmitClO2 auf – das verdeutlicht, dass es möglich ist, einfache Modellverbindungen zu untersuchen, um denAbbaumechanismus vongrößerenundkomplexerenMikroschadstoffe besser zu verstehen. Des Weiteren wurde im Rahmen der Arbeit gezeigt, dass sich die gemessene Reaktionskinetik 50 energie | wasser-praxis 03/2022 F O R S C H U N G & E N T W I C K L U N G

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