DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 9/2022

Strom aus einem Speicher hinter demselben Netzzugangspunkt stammt, welcher zeitgleichmit EE-Stromerzeugung gespeist wurde, oder der EE-Strom zu einer Stunde produziert und für die Wasserstoff-Erzeugung genutzt wurde, in der bestimmte Preisniveaus imEnergiehandel vorlagen. Dieser delegierte Rechtsakt wird nur im Verkehrssektor Geltung entfalten und muss aber zeitnah auf alle Sektoren ausgeweitet werden. Nach dem Vorschlag der EU-Gas-/Wasserstoff-Richtlinie3 vom 15. Dezember 2021 handelt es sich bei CO2-armemWasserstoff umWasserstoff, dessen Energiegehalt aus nicht-erneuerbaren Quellen stammt und der in Bezug auf die Verringerung von Treibhausgas-Emissionen einen Mindestschwellenwert von 70 Prozent erreicht. Die Festlegung eines prozentualenMindestschwellenwertes ist jedoch im Hinblick auf die sektorenübergreifende Anrechenbarkeit problematisch:Werden in den Sektoren unterschiedliche Referenzwerte zur Berechnung der Treibhausgasminderung angelegt, so ist CO2-armer Wasserstoff nicht in allen Sektoren gleichermaßen anrechenbar. Stattdessen sollte der Schwellenwert an einen noch zu bestimmenden Emissionsfaktor (g CO2/kWh) geknüpft werden. Herkunftsnachweissystem für Wasserstoff Umnachzuweisen, dass Wasserstoff erneuerbar oder CO2-arm ist, muss ein einheitliches europäisches Zertifizierungssystem (Abb. 4) etabliert werden. Die Zertifikate müssen insbesondere den Emissionsfaktor – der an die soeben vorgeschlagene Begriffsbestimmung gekoppelt ist – enthalten. Zudem muss sowohl eine Massenbilanzierung als auch eine „Book & Claim“-Bilanzierung möglich sein. So kann erneuerbarer und CO2-armer Wasserstoff unabhängig von der physischen Belieferung gehandelt werden – d. h., der bilanzielle grenzüberschreitende Handel wird ermöglicht. Für die Durchführung der Audits müssen in den Mitgliedsstaaten Zertifizierungsstellen eingerichtet werden, die die Produktionsanlagen und -chargen und ggf. den Einsatz von erneuerbaremStromüberprüfen. Schließlich müssen die Zertifikate sowohl in einer nationalen Datenbank als auch in einer Unionsdatenbank registriert sein, um Mehrfachzählungen zu vermeiden. Differenzverträge für H2-Produktionsanlagen Im Allgemeinen liegen die Vorteile für ein Unternehmen, als erstes mit einem neuen Produkt amMarkt zu erscheinen, darin, sich früh große Marktanteile und damit Absatzmengen zu sichern. Allerdings können sich für diese sogenannten „First Mover“ auch einige Nachteile ergeben. Im Falle der Produktion von Wasserstoff ist einer dieser Nachteile zum heutigen Zeitpunkt nicht nur aus marktlicher Sicht absehbar, sondern auch politisch gewollt: die Kostendegression der eingesetzten Technologien zur Produktion von Wasserstoff. Investiert ein Unternehmen heute in kapitalintensive Produktionsanlagen wie beispielsweise einen Elektrolyseur, sind höhere Marktpreise für Wasserstoff nötig, um die getätigten Investitionen zu refinanzieren, als wenn diese Investition zu einem späteren Zeitpunkt zu geringeren Kapitalkosten für Elektrolyseure getätigt wird. Im Ergebnis stehen Investoren vor dem Hemmnis, die Lernkurve der Elektrolyseurtechnologie finanzieren zu müssen, wovon spätere Marktteilnehmer profitieren werden. Im Ergebnis kommt es zu Attentismus oder nur zu kleinen Pilotanlagen. Angesichts der ambitionierten Ziele der EU und der Bundesregierung, bis zum Jahr 2030 Elektrolyseleistungen in Höhe von 123 Gigawatt (GW) bzw. 10 GW aufzubauen, sind Investitionen in Großanlagen allerdings bereits heute überfällig. Neben den Zielen zur innereuropäischen Produktion von Wasserstoff soll zudem im Jahr 2030 grünerWasserstoff in Höhe von 10 Mio. Tonnen pro Jahr (t/a) aus Ländern mit vorteilhafteren Gegebenheiten zur Produktion von grünem Wasserstoff importiert werden. Mit Initiativen wie H2Global fördert Deutschland zumindest teilweise den Import von grünem Wasserstoff. Derartig geförderte Wasserstoffimporte erhöhen zusätzlich den Wettbewerbsdruck für First Mover. Zwar existieren bereits erste Anschubfinanzierungsprogramme im Rahmen von Reallaboren oder der IPCEI-Projekte. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass die benötigtenWasserstoffproduktionskapazitäten alle eine hinreichend hohe CAPEX-Förderung erhalten, um mit langfristig sinkenden Marktpreisen für Wasserstoff mitzuhalten – zumal sich diese Förderprogramme auf die Elektrolysetechnologie beschränken. Bei einer Anlagenlebensdauer von ca. 20 Jahren wird sich zudem erst zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt herausstellen, ob die bereitgestellte Fördersumme tatsächlich ausreichend war, um die angestrebte Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten. Eine Unsicherheit besteht also selbst bei geförderten Investitionen nach wie vor. Um diesen absehbaren Wettbewerbsnachteilen entgegenzuwirken, wurde mit den Branchen-Stakeholdern die Wirkung einer OPEX-Förderung durch sogenannte Contracts for Difference (CfD) für Wasserstoffproduktionsanlagen diskutiert. In Anlehnung an die bestehenden EEG-Regelungen und auf Basis eines Ausschreibungsverfahrens würde Anlagenbetreibern die Differenz eines zuvor festgelegten Wasserstoffpreises (anzulegender Wert) zu aktuellenMarktpreisen für Wasserstoff derselben Herstellungsmethode (inkl. Importe) vergütet werden. Betreiber vonWasserstoff-Produktionsanlagenmüssten sichmit ihremWasserstoffpreis um diese Förderung im Rah3 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften über die Binnenmärkte für erneuerbare Gase und Erdgas sowie Wasserstoff vom 15.12.2021. 56 energie | wasser-praxis 09/2022 F O R S C H U N G & E N T W I C K L U N G

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