DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 5/2022

Redaktion: Stichwort Investitionen: Zu welchem Strompreis lassen sich Elektrolyseure an diesen genannten Standorten wirtschaftlich betreiben bzw. welche Erlöse lassen sich mit dem grünen Wasserstoff erzielen? Dähling: Hinsichtlich des Wasserstoffpreises haben wir zwei Szenarien betrachtet: Das Hochpreisszenario geht von einer Knappheit von grünemWasserstoff aus. Der mögliche Gesamterlös für einKilogrammgrünenWasserstoff liegt ausgehend von diesem Szenario bei 9,50 Euro netto. ImNiedrigpreisszenariowiederumgilt die Annahme starker Konkurrenz am grünen H2Markt. Dabei muss lokal produzierter grüner Wasserstoff mit importiertem konkurrieren. Beim importierten Wasserstoff wurden sowohl die Kosten für Erzeugung als auch für den Transport berücksichtigt. Der günstigste, flüssig transportierte Wasserstoff könnte demnach 2030 beispielsweiseausderMENA-Regionfür5 Euro/kg und2050ausMarokko für 3,33 Euro/kgkommen. Diese Preise in Kombinationmit der Anzahl der Volllaststunden des jeweiligen Elektrolyseurs ergeben, ob sich ein Elektrolyseur wirtschaftlich lohnt oder nicht.Wir haben angenommen, dass der Elektrolyseur den Strom immer für minimal 0,05 Euro pro KWh beziehen kann. Das heißt: Sobaldder Elektrolyseur einenmöglichenStrombezugspreis realisieren kann, der über 0,05 Euro liegt, ist er potenziell wirtschaftlich. Zudem ist es eine Überlegung wert, was mit regional überschüssigen Strommengen passiert. Mengen, die eigentlich abgeregelt werdenmüssten, könnten beispielsweise vergünstigt abgegeben werden. Redaktion: Welche Chancen und Risiken sehen Sie insgesamt für die dezentrale H ² -Erzeugung? Dähling: Netzdienliche Elektrolyseure bringen viele Stärkenmit, die für das Energiesystemnotwendig oder hilfreich sein können. Dabei beschränken sich diese Stärken nicht nur auf die Interaktion zwischen Elektrolyseuren und Stromnetz. Auch auf der Nutzungsseite können netzdienliche Elektrolyseure durch eine dezentrale Platzierung inDeutschlandVorteile für die Dekarbonisierung bringen. Die Effizienz ist bei jenen Elektrolyseuren besonders hoch, die alle bei der Elektrolyse entstehendenProdukte – also Wasserstoff, Sauerstoff und Abwärme – regional absetzen können. Demgegenüber stehen auch einige Risiken, die netzdienliche Elektrolyse in Deutschland be- oder gar verhindern können. Zentral für die netzdienliche Elektrolyse ist, dass es einen beschleunigten EE-Ausbau gibt, sodass die Energieüberschüsse für einen wirtschaftlichen Betrieb ausreichen. Ebenso entscheidend sind beschleunigte Genehmigungsverfahren und auch eine abschließende Definition von grünemWasserstoff. Diese Gemengelage kann dazu führen, dass potenzielle Investoren möglicherweise abgeschreckt werden, vor allem, wenn es vergleichsweise kleinere Akteure sind, die diese Projekte umsetzenwollen und einen anderen Zugang zu Kapital- und Finanzmärkten haben als die „Big Player“ der Branchen. Außerdem ist es nicht immer leicht, die richtigenStandorte zu finden,weil mandafür einigeDatenbenötigt. Anders gesagt: Der Aufwand zur Auswahl des geeigneten Standortes ist zwar recht hoch, aber er lohnt sich. Redaktion: Was bedeutet das für die Politik, was muss sie jetzt tun? Dähling: Umdie imKoalitionsvertrag priorisierte heimische Erzeugung grünen Wasserstoffs langfristig zu sichern, müssen bereits heute die politischen Weichen gestellt werden: Die NationaleWasserstoffstrategie sollte nicht nur Großanlagen, sondern auch dezentrale Elektrolyseure berücksichtigen. Der Zubau dezentraler Elektrolyseurewird dabei vor allemvon kleinenund mittelständischen, lokal verankertenUnternehmen getragen werden. Dies stärkt die regionale Wertschöpfung und stiftet volkswirtschaftlichen Nutzen. Weil aktuell aber noch diverse Risiken den wünschenswerten Hochlauf hemmen, halten wir eine befristete Anschubförderung für sinnvoll. Damit Elektrolyseure die beschriebenen Nutzeffekte entfalten, müssen ihre Standorte, Leistung und Laufzeitenmit den Erfordernissen der Stromnetze abgestimmt sein. Über diese Informationen verfügen vor allemdie Netzbetreiber, denen deshalb eine besondere Bedeutung zufällt. Wir schlagen daher vor, dass die Bundesnetzagentur mit der Erstellung einer Karte beauftragt wird, die die Flächen ausweist, auf denen Elektrolyseure netzdienlich platziert werden können. Nebenmöglichen Standorten soll die Karte zudem Werte für die maximale Leistung und Volllaststunden ausweisen, die Elektrolyseure an den jeweiligen Netzabschnitten ausschöpfen können. Redaktion: Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Dähling! 81 energie | wasser-praxis 05/2022

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