DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 4/2023

gen) das Erdgas in Leitungen der Nachbarbezirke umgepumpt (d) oder abgefackelt bzw. ausgeblasen (e) werden. Ob dies auch bis deutlich unter den Umgebungsdruck, also durch den Einsatz von Vakuumpumpen – ggf. in Kombination mit Verdichtern –, erfolgen kann, gilt es zu prüfen. Dabei sollte insbesondere die Gefahr des Lufteinzugs bei Undichtigkeiten analysiert sowie der Effekt des Auspumpens in einem vermaschten Netz untersucht werden. Über die angepasste Regelanlage (f) kann nun die Zuführungsleitung gespült und im Anschluss der Bezirk mit Wasserstoff begast werden. Die Spülung des Bezirks erfolgt, indem über die Regelanlage der Betriebsdruck hergestellt und Resterdgasmengen an den Hausanschlüssen (g) und ggf. an den Trennstellen des Netzes ausgeblasen bzw. abgefackelt werden, bis dort nur noch Wasserstoff nachgewiesen werden kann. Die Reinheit des Wasserstoffes ist an anderer Stelle zu diskutieren. Hier ist ebenfalls eine Prüfung erforderlich, ob der Spülvorgang gleich mit Wasserstoff anstelle von Stickstoff erfolgen kann, obwohl es sich dabei um ein Gas mit deutlich geringerer Dichte als Erdgas handelt. Genauso ist zu untersuchen, ob auch vermaschte Netze und nicht nur Leitungsabschnitte gespült werden können. Sowohl der Einsatz von Stickstoff als auch das schrittweise Spülen von Leitungssträngen würden den Umstellungsaufwand signifikant erhöhen. Nachdem der Ausblasevorgang (g) bei den ersten Kunden – die mit der höchsten Priorität – abgeschlossen ist, können deren H₂-Geräte in Betrieb genommen (h) und die HAE des Hausanschlusses wieder geöffnet werden. Ab diesem Zeitpunkt werden diese Kunden vom Netz mit Wasserstoff versorgt. Gelingt der Austausch des Gases im Netz im Laufe des ersten Tages, dann kann die Versorgungsunterbrechung für kritische Kunden kurzgehalten werden. An den folgenden Tagen werden nach und nach die verbliebenen Kunden umgestellt, bis die Arbeiten am Ende des fünften Umstellungstages abgeschlossen sind. Fazit und Handlungsempfehlungen Der hier deutlich vereinfachte Prozess der Umstellung eines Ortsnetzes von Erdgas auf Wasserstoff zeigt, dass die Planung, Vorbereitung und Durchführung mit einer hohen Komplexität verbunden sind. Der Umstellungsablauf am Beispiel des fiktiven Ortsnetzes kann für Netzbetreiber zwar als Anregung und Orientierung dienen – eine Umstellung ist aber letztendlich für jedes Verteilnetz bzw. Netzgebiet eine Einzelfallbetrachtung, die von den örtlichen Gegebenheiten abhängig ist. Dies betrifft u. a. die Netzstruktur und -topologie, die Art und Anzahl der Letztverbraucher bzw. deren Gasgeräte, die Siedlungsstruktur und viele weitere Punkte. Die Sensitivitätsbetrachtung zur Abschätzung der Dauer der Umstellung hat deren Abhängigkeit vom verfügbaren Umstellpersonal und dem Verhältnis aus Gerätetausch und Geräteanpassung bzw. dem jeweils damit verbundenen Aufwand aufgezeigt. Aktuell herrscht bereits ein Fachkräftemangel. Bei der L-/H-Gas-Marktraum- umstellung kommen rund 40 Dienstleistungsunternehmen mit rund 900 Anpassungsmonteuren zum Einsatz [4], von denen nach Experteneinschätzung bis zum Ende der 2020er-Jahre viele in den Ruhestand gehen werden. Eine frühzeitige Sicherung bzw. der Aufbau von Personal für die Umstellung von Netzen und Endanwendungen wird daher essenziell für das Gelingen einer großflächigen Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff sein. Ein weiteres Ausarbeiten der Transformationsplanung und des konkreten Umstellungsprozesses ist zwingend erMichael Wupperfeld ist Projektleiter für Netzprojekte bei der DBI-Gruppe in Leipzig. Jonas Sperlich ist Projektingenieur für Netzprojekte und Transformationspfade bei der DBI-Gruppe in Leipzig. Kontakt: Michael Wupperfeld DBI-Gruppe Karl-Heine-Str. 109/111 04229 Leipzig Tel: 0341 2457-154 E-Mail: michael.wupperfeld@ dbi-gruppe.de Internet: www.dbi-gruppe.de Die Autoren forderlich. Bei Letzterem gibt es derzeit noch ungeklärte Fragestellungen, z. B. zur Machbarkeit des Einsatzes von Vakuumpumpen zur Herstellung der Erdgasfreiheit oder zumSpülen vermaschter Netzabschnitte mit Wasserstoff. Weiterhin ist es wichtig, Erfahrungen im Rahmen von Forschungs- bzw. Pilotprojekten zur Umstellung vonNetzabschnitten auf Wasserstoff zu sammeln und insbesondere praktische Erkenntnisse zu gewinnen. Entsprechend soll dieser Beitrag als Impuls dienen, die noch offenen Fragen anzugehen. Die ausführlichen Betrachtungen zur Umstellung von Gasverteilnetzen und zum Anpassungsbedarf von Netzstrukturen und -betrieb sind im Abschlussbericht des DVGWForschungsvorhabens G 201824-D 2.4 nachzulesen, der im DVGW-OnlineRegelwerk erhältlich ist. P Literatur [1] Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V./VKU Verband Kommunaler Unternehmen e. V. (Hrsg.): Gasnetzgebietstransformationsplan (GTP): Wasserstoff über die Gasverteilnetze für alle nutzbar machen. Online unter www.dvgw.de/medien/ dvgw/verein/energiewende/gtp-2022-leitfaden.pdf, abgerufen am 14. September 2022. [2] DVGW-Merkblatt G 221: Leitfaden zur Anwendung des DVGW-Regelwerks auf die leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit wasserstoffhaltigen Gasen und Wasserstoff, Bonn 2021. [3] DVGW-Merkblatt G 655: Leitfaden H₂-Readiness Gasanwendung, Bonn 2021. [4] Gregor, T., Pietsch, P., Wiersig, M.: Marktraumumstellung – aktueller Stand und Zukunftsperspektiven, in: gwf Gas + Energie, Ausgabe 4/2022, S. 37–41. Der Umstellungsprozess eines Ortsnetzes von Erdgas aufWasserstoff ist mit einer hohen Komplexität verbunden. K 28 energie | wasser-praxis 04/2023 G R E E N H U B

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