DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 03/2022

ClO2 ist ein selektives Oxidationsmittel undweist somit einen geringen Umfang anNebenreaktionen, z. B. mit dem organischen Material, auf, wodurch die Oxidation vonMikroschadstoffen und die Inaktivierung von Pathogenen sehr effizient sind [3]. Allerdings entstehen beim Einsatz von ClO2 auch Desinfektionsnebenprodukte (DBPs) wie Chlorit (ClO2-) und Chlorat (ClO3-) (Trinkwassergrenzwert in Deutschland: 0,2 mg/l ClO2- bzw. 0,07 mg/l ClO3-) [4]. Neueste Studien haben gezeigt, dass die Reaktion von ClO2 mit organischem Material auch zur Bildung von hypochloriger Säure (freies Chlor (FAC)) führen kann [5, 6]. Dies kann zur Bildung unerwünschter DBPs führen [5, 6], die bisher beim Einsatz von ClO2 nicht erwartet werden. Dieses Beispiel zeigt, dass es wichtig ist, das Verständnis der Reaktion von ClO2 mit Wasserinhaltsstoffen zu verbessern. Konzept und Zielstellung In der hier beschriebenen wissenschaftlichenArbeitwurde dieReaktion von verschiedenenMikroschadstoffen mit ClO2 untersucht. Dabei wurde zusätzlich auch eine einfacheModellverbindung betrachtet, die eine ähnliche reaktiveGruppe enthält. Der Vergleich der ReaktionvonModellverbindungen mit Mikroschadstoffen ermöglicht es, den Angriffspunkt des Oxidationsmittels in komplexenMikroschadstoffen zu bestätigen. Damit können Untersuchungen von Modellverbindungen generelle Aussagen zur Reaktion von Mikroschadstoffen ermöglichen. In einem letzten Schritt wurde die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die komplexereMatrix eines Oberflächenwassers geprüft. Experimenteller Teil Als Mikroschadstoff wurde Ritalinsäure (Metabolit des Pharmazeutikums Ritalin) [7] und als Modellverbindung 2-Methylpiperidin (MPP) untersucht, die beide ein sekundäres Amin (Abb. 1) als reaktive Gruppe aufweisen. Zum Vergleich der Reaktion von ClO2 mit MPP und Ritalinsäure wurde die ReakMasterarbeit untersucht Einsatz von Chlordioxid bei der Entfernung von Mikroschadstoffen in der Trinkwasseraufbereitung Das steigende Aufkommen von Mikroschadstoffen (z. B. Pharmazeutika, Körperpflegeprodukte, Pestizide etc.) in der aquatischen Umwelt [1] stellt, auch vor dem Hintergrund des Klimawandels und der damit zunehmenden Wasserknappheit, eine große Herausforderung für die Wasseraufbereitung dar. Hierbei ist der Einsatz von Oxidationsverfahren eine flexible Variante, um entsprechende Mikroschadstoffe im Rahmen der Trink- und Abwasseraufbereitung abzubauen. Eine große Vielzahl von Mikroschadstoffen enthalten aktivierte aromatische Systeme und/oder tertiäre Amine, die sehr schnell mit gängigen Oxidationsmitteln (z. B. Ozon (O ³ ), Chlordioxid (ClO ² ) und freies Chlor) reagieren [2]. Der Fachbeitrag fasst in diesem Zusammenhang eine mit dem DVGWStudienpreis Wasser ausgezeichnete Masterarbeit zusammen, die sich mit dem Einsatz von Chlordioxid in der Trinkwasseraufbereitung beschäftigt hat. von: Mischa Jütte (Technische Universität Darmstadt) Abb. 1: Molekülstrukturen von Ritalinsäure (links), 2-Methylpiperidin (Mitte) und Cetirizin (rechts). Die funktionellen Gruppen der Ritalinsäure und MPP sind durch nummerierte Kreise hervorgehoben: 1. sekundäres Amin (reagiert mit ClO ² ), 2. Carboxylgruppe, 3. Phenylgruppe, 4. Methylgruppe. Die Gruppen 2 bis 4 können einen Einfluss auf die Reaktivität des Amins haben. Im Gegensatz zu den sekundären Aminen besitzt Cetirizin zwei tertiäre Amine (5.) als mögliche Angriffspunkte für ClO ² . Quelle: der Autor F O R S C H U N G & E N T W I C K L U N G 47 energie | wasser-praxis 03/2022

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