DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 03/2022

N A C H R I C H T E N STANDPUNKT » Internationale Standards sind Voraussetzung für einen globalen Wasserstoffmarkt « Ein Kommentar von Maira Kusch, Büroleiterin der Geschäftsstelle des Weltenergierat – Deutschland in Berlin Deutschland hat Anfang 2022 denVorsitz der G7-Gruppe übernommen und Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte im Januar 2022 an, die Präsidentschaft nutzen zu wollen, um die G7 zumKern eines sogenannten internationalen KlimaClubs zumachen. Dabei handelt es sich allgemeinumeinen Zusammenschluss von Ländern, die beim Klimaschutz gemeinsam vorangehen. Als mögliches Kooperationsthema nannte Olaf Scholz grünen Wasserstoff. Innerhalb des Klima-Clubsmöchte er ein gemeinsames Verständnis dafür erarbeiten, was grüner Wasserstoff ist. Eine internationale Definition dafür gibt es bisher noch nicht. Einheitliche Kriterien für die Klassifizierung und Zertifizierung von grünem Wasserstoff sind eine wichtige Voraussetzung für den Handel und die Entwicklung eines globalen H2-Marktes. Die Zertifizierung ermöglicht es, die erneuerbaren Eigenschaften des Energieträgers nachzuweisen und ihn vom fossilen Wasserstoff zu unterscheiden. Ebenso wenig wie eine Definition für grünen Wasserstoff gibt es jedoch bisher ein weltweit einheitliches Zertifizierungssystem. Das neue Analysepapier der Deutschen Energie-Agentur und des Weltenergierats „Global Harmonisation of Hydrogen Certification“ hat sich deshalb weltweit elf Regulierungsrahmen für erneuerbaren Wasserstoff angesehen und untersucht, inwieweit sich diese Systeme harmonisieren ließen. Das Ergebnis ist ernüchternd: Aktuell ist ein einheitliches globales Zertifizierungssystem nur schwer umsetzbar. Dies liegt insbesondere an der Vielzahl von Standards, die sich in ihren Anforderungen unterscheiden. Einige Länder und Regionen, z. B. die Europäische Union, haben sehr ehrgeizige Kriterien für die Produktion vonWasserstoff aus erneuerbaren Energien festgelegt. Diese werden sie voraussichtlich nicht zugunsten eines harmonisierten Systems aufgeben. Das Papier präsentiert daher alternativ ein Anlagenkonzept, mit dem sich der Wasserstoff auf allen analysierten Märkten absetzen ließe. Dazu gehören nicht nur eine Direktverbindung zwischen Elektrolyseur und regenerativemKraftwerk, sondern auch eine siebzigprozentige Treibhausgasreduktion gegenüber einem Referenzwert von 94 g CO2-Äquivalenten/MJ. Der Haken dabei: Der hergestellte Wasserstoff ist vergleichsweise teuer. Um grünen Wasserstoff wettbewerbsfähig zu machen, bedarf es jedoch einer raschen Ausweitung der Produktion und einer Kostendegression. Die EU hat es sich zum Ziel gesetzt, imH2-Bereich international eine Führungsrolle einzunehmen. Dies gilt auch für das Definieren von Standards und technischen Normen. Mit attraktiven Förderinstrumenten hat sie zwar bereits Anreize für die Markteinführung von erneuerbaremWasserstoff geschaffen; sollte sich der regulatorische Rahmen für die H2-Herstellung jedoch als zu streng erweisen, könnten große H2-Produzenten auf andere Absatzmärkte mit weniger anspruchsvollen Anforderungen ausweichen. Der europäische – und damit auch der deutsche – Markt könnten damit langfristig an Attraktivität verlieren. Die politische Herausforderung besteht somit aktuell darin, in Deutschland und Europa die notwendigen Rahmenbedingungen für den Wasserstoffeinsatz zu schaffen, ohne den Markthochlauf zu behindern. Ob dies gelingt, werden die kommenden Monate zeigen. W Kontakt: kusch@weltenergierat.de Quelle: Weltenergierat – Deutschland e. V. 6 energie | wasser-praxis 03/2022

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