DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 9/2022

land beziehen werden, sind aber deutlich größer. Wir erhalten derzeit bereits zusätzlicheMengen von europäischen Partnern via Pipeline, etwa ausNorwegen. Außerdemwerdenwir derzeit bereits mit relativ großen LNG-Anteilen über die Terminals in Zeebrugge, Rotterdam und den französischen Terminals beliefert. Letztlichmuss die Bilanz in Summe wieder passen und LNG ist neben denEinsparungen, den Speicherkapazitäten,der Diversifizierung der Energieimporte und verstärkter Nutzung von Biogas nur ein Anteil dieser kombinierten Lösung. Redaktion: Wäre es energiepolitisch nicht sinnvoller, die LNG-­ Importe in Form einer gesamteuropäischen Initiative gemeinschaftlich zu erhöhen? Munko: Wir stehen mit allen EU-Partnern im permanenten Austausch. Bestes Beispiel ist der EU-weite Beschluss, 15 Prozent Gas einzusparen, wenn auch auf freiwilliger Basis. Es gibt darüber hinaus Projekte, die die Binnenversorgung innerhalb der EU perspektivisch verbessern. Ein Beispiel: Spanien hat enorme Kapazitäten an LNG-Terminals, steht jedoch vor der Schwierigkeit, die potenziellen Mengen via Pipeline nach Mitteleuropa zu transportieren. Planung und Bau einer dafür notwendigen Pipeline am Rande der Pyrenäen und durch das Mittelmeer nehmen nun deutlich Fahrt auf. Darüber hinaus hat Spanien schon relativ früh damit begonnen, LNG in kleinen Mengen zu re-exportieren, etwa nach Italien. Ich möchte damit sagen: Es wird bereits gesamteuropäisch gedacht. Trotzdemwerden die Mengen, die wir über andere europäische Terminals importieren können, in Summe auch nicht reichen. Um in Deutschland eine Versorgungssicherheit zu gewährleisten, benötigen wir eigene Terminals. Redaktion: Stichwort Zukunftsfähigkeit: Wie stehen Sie zu der Forderung, die geplanten LNG-Terminals direkt technisch H2-ready zu errichten? Munko: Zunächst einmal ist es sehr sinnvoll, bei diesen ProjektenWasserstoff direkt mitzudenken. Die Forderung, jetzt H2-ready zu bauen ist jedoch insofern schwierig, als dass es noch keine scharfe Definition für H2-readiness gibt. Gemeint sind nicht nur reiner Wasserstoff, sondern auchWasserstoffDerivate. Und hier wird es problematisch: Flüssiger Wasserstoff muss bei rund -250 °C transportiert werden, für LNG „reichen“ aber -160 °C. Diese beiden unterschiedlichen Voraussetzungen beimBau eines Terminals zu berücksichtigen, ist technisch theoretisch zwar machbar, aus ökonomischen Gesichtspunkten jedoch sehr schwierig. Zum Transport von reinem Wasserstoff bei -250 °C gibt es aktuell auch nur ein einziges Schiff, das sich in einer Testphase zwischen Australien und Japan. befindet. Beim Thema Derivate sprechen wir über Ammoniak, synthetisches LNG, LOHC oder Methanol. Das heißt: Wenn ich einem Terminalbetreiber heute die Maßgabe mitgebe, H2ready zu bauen, dann weiß er nicht wirklich, was er machen soll. Ammoniak-ready zu bauen, ist technisch ebenfalls gut machbar. Die Frage ist nur: Welche Form des seegängigen Transports von Wasserstoff wird sich in Zukunft durchsetzen? Zu Beantwortung dieser Frage ist der DVGW in verschiede Projekte involviert, die die Thematik technisch, ökonomisch und aus Sicht der Regelsetzung erfassen. Zusammengefasst bedeutet das: Es ist wichtig, eine Flexibilität zu schaffen. Die FSRUs an sich sind bereits flexibel und auch die Leitungen in Wilhelmshaven und Brunsbüttel werden Wasserstoff-ready sein. Bei den Onshore-Anlagen wie in Stade gibt es Planungen, auch die Derivate mitzudenken – hier gibt es aber nach jetzigem Stand noch unterschiedliche Ansätze und Lösungsoptionen. Redaktion: Im Zuge der Gaskrise wird nahezu ausschließlich auf den Aspekt Versorgungssicherheit fokussiert, das Thema Klimaneutralität wurde nahezu vollständig aus der Debatte verdrängt. Welche Rolle werden grüne Gase wie Biomethan und Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen in den nächsten Jahren Ihrer Meinung nach spielen? Munko: Eine sehr große und entscheidende Rolle. Zwar sind unsere Bemühungen, das Gas aus Russland kurzfristig durch das Wiederanfahren von Kohlekraftwerken zu ersetzen, im Floating Storage and Regasification Unit (FSRU) Ein Floating Storage and Regasification Unit (kurz: FSRU, deutsch: schwimmende Speicher- und Regasifizierungseinheit) kann verflüssigtes LNG von LNG-Tankern löschen, speichern und zur direkten Einspeisung in das Erdgasnetz regasifizieren. Dabei wird das etwa -160 °C kalte verflüssigte LNG durch Exportpumpen des Tankschiffs gelöscht und gespeichert. Mithilfe von Pumpen und einer Reihe von LNG-Verdampfern wird das LNG auf Pipelinedruck gebracht, über 0 °C erwärmt und so wieder in einen gasförmigen Zustand versetzt. Im Anschluss wird das Erdgas über die Hochdruck-Ladearme des Anlegers ins Pipelinenetz eingespeist. Eine landseitige Erdgas-Verdichterstation ist nicht notwendig. Alternativ kann mithilfe der FSRU das flüssige LNG in kleinere LNG-Tanker umgeschlagen oder über eine LNG-Pipeline an Land transferiert werden, um es dort in Tankfahrzeuge zu verladen. FSRUs sind vergleichsweise schnell zu errichten. Werden sie nicht mehr benötigt, können sie nach Ablauf der Charterverträge an den Eigner zurückgegeben und an anderer Stelle eingesetzt werden. Die landseitige Infrastruktur kann mit einem Ship-to-Shore-Interface und der Einbindung in das Gasnetz mit etwaigen Pufferspeicherkapazitäten vergleichsweise schlank gehalten werden. Eine LNG-Importinfrastruktur, die maßgeblich auf FSRU setzt, ist im Vergleich zu stationären Terminals hochflexibel und auch für eine kürzere Nutzungsdauer ausgelegt. HINTERGRUND 19 energie | wasser-praxis 09/2022

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