DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 5/2022

Dr. Breuer: In den vergangenen Monaten habe ich in vielen Gesprächen gelernt, dass Unternehmen sich schon sehr intensiv mit dem Thema Wasserstoff auseinandersetzen – und dies sowohl aus eigener Initiative als auch getrieben von den Wünschen der Kunden. Diese fragen inzwischennach Produkten, die perspektivisch CO2-neutral hergestellt werden, beispielsweise im Automobilzulieferbereich. Nun stehen die Unternehmen aber vor der Herausforderung, die theoretischen Pläne ins reale Leben transferieren zu müssen. Und genau da sehe ich unserer Aufgabe als Westnetz. Wir unterstützen die gesamte Region und sagen:Wir startenmit dem Aufbau einerWasserstoffinfrastruktur und können euch als Unternehmen an diese Infrastruktur anbinden. Mehr noch: Die Entwicklung der Region um Arnsberg in Bezug auf Klimaneutralität dient auch als Blaupause für andere Regionen. EinBeispiel ist der Nachbarkreis Soest: Dort ist man bereits auf uns aufmerksam geworden und denkt darüber nach, Teile des Projekts zu übernehmen. Redaktion: Apropos Projekt: Ich habe mich ein wenig auf Ihrer Webseite umgeschaut: Ihr Unternehmen beschreibt seinen Auftrag mit dem Satz „Wir bei Westnetz gestalten die Energiewende aktiv mit – durch den zukunftsorientierten Aus- und Umbau der Infrastruktur“. Was bedeutet Letzteres konkret hinsichtlich des Aufbaus einer allgemeinen H ² -Infrastruktur? Dr. Breuer: Hier sind zwei Aspekte maßgeblich, die wir parallel verfolgen: Wir gehen zunächst intensiv der Frage nach, inwieweit unsere Infrastruktur wasserstofftauglich – oder neudeutsch: H2-ready – ist. Dazu haben wir intensive Untersuchungen vorgenommen. ImErgebnis wissen wir recht genau, welche Materialien tauglich sindbzw. welcheKomponentennochertüchtigt werdenmüssen. Darüber hinaus führenwir die Marktraumumstellung durch, also die Umstellung von L- auf H-Gas. Und hier bietet sich eine große Chance: Aufgrund dieser Umstellung haben wir Leitungen bzw. Leitungsabschnitte im Portfolio, die zukünftig keine Versorgungsaufgabe für fossiles Erdgas mehr übernehmen. Stattdessen nutzen wir die Leitungen, um ihre Umstellung auf Wasserstoff zu erproben. Dies war auch Ausgangspunkt für HydroNet. Mit unserer elf Kilometer langen Leitung bildenwir einen Nukleus, um die in der Nähe liegenden Unternehmen an diese Infrastruktur anzubinden und die Nutzung von Wasserstoff tatsächlich umzusetzen. Redaktion: Warum kommt im Rahmen des Projektes HydroNet auch türkiser Wasserstoff zum Einsatz? Welche Vorteile sind damit verbunden? Dr. Breuer: Neben der Elektrolyse setzen wir bewusst auch auf die Pyrolysetechnik, weil wir den Unternehmen demonstrieren wollen, was bereits heute umsetzbar ist. Wir betrachten die Pyrolyse als eine zügig einsetzbare BrückentechDie Klimaschutz-Modellregion Sauerland Ziel des Projekts ist, die Region Arnsberg über den Einsatz moderner Wasserstofftechnologien klimaneutral zu machen. In den kommenden Jahren sollen dafür Industrie, mittelständische Unternehmen und der Mobilitätsbereich in die Nutzung von Wasserstoff einsteigen. Kern der Klimaschutz-Modellregion Sauerland ist eine elf Kilometer lange Erdgasleitung, die auf den Betrieb von Wasserstoff umgestellt und damit auch als Energiespeicher dienen soll. Das Konzept beinhaltet sämtliche Elemente moderner Wasserstofftechnologien, die in Verbindung mit bereits vorhandenen Erdgasleitungen direkt einsetzbar sind: die örtliche Verteilnetzinfrastruktur, Energiespeicher, Wasserstofferzeugung, Wasserstoffmobilität, Prozessgase für die ansässige mittelständische Industrie,Wärme für Privatkunden und die Anbindung an eine größere Wasserstoff-Fernleitung, die in das benachbarte Ruhrgebiet führt. Die Umsetzung des Modellprojekts verteilt sich über mehrere Stufen. Zunächst soll die elf Kilometer lange Gas-Hochdruckleitung zwischen Arnsberg und Eisborn auf den Betrieb von Wasserstoff umgestellt werden. Die Leitung verfügt über ein Speichervermögen von rund 150 Megawattstunden und ist Teil eines früheren überregionalen Transportnetzes. Das Speichervolumen ist ausreichend, um beispielsweise 1.000 moderne Einfamilienhäuser an einem kalten Wintertag mit nachhaltiger Energie zu versorgen. Ein Gutachten des TÜV Nord hat bereits die Möglichkeit einer Umstellung auf den Betrieb mit reinemWasserstoff grundsätzlich bestätigt. Die Nutzung von Wasserstoff spielt eine entscheidende Rolle bei der Dekarbonisierung industrieller Prozesse in der Klimaschutz-Modellregion Sauerland. Potenzielle Abnehmer sind klein- und mittelständische Unternehmen aus Arnsberg, Fahrzeuge zur Müllentsorgung und für den öffentlichen Personennahverkehr sowie Privathaushalte aus einem nahe der Wasserstoffleitung gelegenenWohngebiet. Hier kämeWasserstoff imWärmebereich zum Einsatz. Bereits heute gibt es im Sauerland eine starke Nachfrage von Energieerzeugern, neue Windkraftanlagen an das Stromverteilnetz anzuschließen. Zugleich sind in zahlreichen Städten und Gemeinden die Strom- und Gasleitungen sehr gut vernetzt. Der absehbar hohe Zuwachs im Bereich der Windenergie bildet damit die Grundlage für weitere Kopplungspunkte von Strom und Gas im Sauerland. Darüber hinaus gibt es Überlegungen, zusätzlich eine Biomasseanlage zu errichten. Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz INFORMATIONEN 54 energie | wasser-praxis 05/2022 I N T E R V I E W

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