DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 8/2022

derschlagsplus nicht aufzehren. Kurz gesagt: Es bleibt in der Bilanz Wasser übrig. In den meisten Regionen Deutschlands erwarten wir deshalb stabile Verhältnisse bzw. einen leichten Anstieg bei der Grundwasserneubildung. Ebenso steigen im Zuge der zunehmenden Erwärmung die Abflüsse in den Vorflutern und damit auch die Zuf lüsse zu Talsperren. Hier gibt es jedoch einen stärkeren Südwest-Nordost-Gradienten mit einem zunehmenden jährlichen Abf lussmengenplus in Richtung Nordosten. Redaktion: Inwieweit unterscheidet sich das Studiendesign von anderen Untersuchungen zu diesem Thema und welche Folgen ergeben sich daraus für die gewonnenen Erkenntnisse? Marx: Wir haben insgesamt 70 Klimasimulationen genutzt und sowohl ein Klimaschutzszenario als auch ein pessimistisches Weiter-wie-bisher-Szenario zugrunde gelegt, um die gesamte Spannbreite der möglichen klimabedingten Veränderungen ableiten zu können. In der Vergangenheit hat man sich mangels vorhandener Rechenleistungen bzw. mangels Speicherplatz eher einzelne oder wenige Simulationen angeschaut. Weil wir heute aber alle verfügbaren Simulationen betrachtet haben, können wir recht gut einschätzen, in welchem Bereich die wahrscheinlichste Entwicklung liegt. So hat sich im Klimaschutz- und auch imWeiter-wie-bisher-Szenario als wahrscheinlichste Entwicklung herauskristallisiert, dass die Niederschläge und die terrestrischenWasserverfügbarkeiten in Zukunft nicht abnehmen werden. Hinzu kommt, dass auf regionaler Ebene bereits ähnliche Studien durchgeführt worden sind, in denen Klimasimulationen mit hydrologischen Modellen verwendet wurden. Erfreulich ist, dass die Ergebnisse auf regionaler Ebene die weitgehend gleichen Muster prognostizieren wie unsere deutschlandweite Studie. Hier gibt es große Übereinstimmungen, über die wir am 15. Juni dieses Jahres im Rahmen des DVGW OnlineForums „Auswirkungen des Klimawandels auf das Wasserdargebot Deutschlands“ in einem größeren Kreis diskutiert haben und bei der die Ergebnisse aus unterschiedlichen Studien einander gegenübergestellt worden sind. Redaktion: Herr Merkel, vor welchem Hintergrund hat der DVGW die Studie in Auftrag gegeben und welche potenziellen Wissenslücken sollen mit ihr geschlossen werden? Merkel: Szenarien zum Klimawandel und zur Wasserverfügbarkeit sind die zentrale Basis für die Planung der Wasserversorger und die der Bundesländer. Im Rahmen der gemeinsamen Untersuchungen mit dem UFZ sollten folgende vier Punkte erreicht werden: Zunächst stand die Verbesserung der Entscheidungsbasis für die Klimaanpassung durch aktuelle Studienergebnisse im Fokus, das hat Herr Marx schon ausgeführt. Wir wollten darüber hinaus den Wasserversorgungsunternehmen Wasserhaushaltsdaten für ihre Planung an die Hand geben. Dies werden wir nun im Nachgang des Abschlusses der Studien auch tun, indemwir den Unternehmen die Möglichkeit eröffnen, Daten zu übernehmen, um sie z. B. in ihre eigenen Grundwassermodelle einspeisen zu können. Wir wollten drittens die Fragestellung angehen, ob bzw. wie widersprechende Klimafolgenergebnisse aus den aktuell relevanten Studien zu bewerten sind. Basierend darauf ist es dann unser Ziel, klare Botschaften und Handlungsbedarfe in Richtung Politik und Behörden zu richten. Redaktion: Eins der zentralen Ergebnisse der Studie ist, dass die Durchschnittstemperaturen steigen und die Grundwasserneubildung praktisch im gesamten Bundesgebiet stabil bleibt bzw. leicht zunehmen wird. Wie passen diese beiden sich vermeintlich widersprechenden Entwicklungen zusammen? Marx: Generell gilt: Mit steigenden Temperaturen steigen auch die Verdunstungen. Demnach geht in einem wärmeren Klima zukünftig mehr Wasser an die Atmosphäre verloren. Gleichzeitig lässt sich hinsichtlich der Niederschlagsentwicklungen in Europa im Kontext des Klimawandels ein klarer Trend erkennen: Im Mittelmeerraum Eine Dürre ist ein Extremereignis, also eines, das wieder vorbeigehen wird. Dr. Andreas Marx 24 energie | wasser-praxis 08/2022 S O M M E R I N T E R V I E W

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