DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 8/2022

müssen ihre Ressourcen absichern und nach Möglichkeit diversifizieren, zum Beispiel durch Verbundsysteme oder Anschlüsse an eine Fernversorgung. Aber zur Sicherung der Ressourcen sind auf jeden Fall die zuständigenWasserbehörden gefragt, die Wasserentnahmerechte anzupassen und auszuweiten. Leider beobachten wir aktuell eher das Gegenteil: Behörden beschneiden bestehende Rechte mit dem Hinweis auf erforderliche Klimawandelabschläge, und eine transparente Zuteilung und Vorausplanung von Wassermangelphasen ist noch nicht in Sicht. Hier sollten Ministerien und Behörden auf Basis des wissenschaftlichen Inputs tätig werden. Wir als DVGW bieten die gemeinsame Entwicklung der Handlungsgrundlagen an, also die Entwicklung von passenden Regelwerken, damit wir eine belastbare Arbeitsgrundlage bekommen. Redaktion: Ob und wie stark es in Zukunft zu einer Wasserknappheit kommen wird, hängt auch vom Nutzungsverhalten der Bevölkerung ab. Wie kann diese für das Thema sensibilisiert werden, ohne dabei eine Panikstimmung zu erzeugen? Merkel: Ich bin für eine klare und einheitliche Information ohne Panikmache. Dazumüssen wir den vorhandenenWissensstand aufarbeiten und ihn in Form von verständlichen Botschaften kommunizieren. Dabei ist es entscheidend, Erkenntnisstand und Interpretation sauber voneinander zu unterscheiden. Eine Botschaft ist: Wir gehen nicht von einem flächendeckenden Wassermangel aus, sehr wohl jedoch von lokalen und saisonalen Engpässen. Darauf basierend können die lokalen Versorger ihre Handlungsmaßnahmen kommunizieren, möglichst mit ausreichend Vorlauf und nicht erst in einer akuten Mangelsituation. Dazu müssten wir zum Beispiel den anstehenden Herbst und Winter nutzen. Im Vergleich zum Jahr 2018 beobachten wir bereits deutlich erkennbare Fortschritte im kommunikativen Bereich. Nach meiner Wahrnehmung sind die Informationen deutlich weniger aufgeregt; sie kommen rechtzeitig und an denmeisten Stellen schießen sie auch nicht über das Ziel hinaus. Hier entwickelt sich einiges in die richtige Richtung. Marx: Da habe ich nur wenig hinzuzufügen. Wichtig ist doch die Erkenntnis, dass wir in den Extrem-Jahren 2018 und 2019 keinen Zusammenbruch der Trinkwasserversorgung gesehen haben. Kollegen von mir sind zu dem Schluss gekommen, dass es eine solche Dürre wie von 2018 bis 2020 mit großer Wahrscheinlichkeit seit 1766 über Mitteleuropa nicht gegeben hat. Aber der schon erwähnte Ausbau der Fernwasserleitungen in den 1950er-Jahren, die Etablierung regionale Wassernetze und die umfassenden Möglichkeiten, sich aus sehr unterschiedlichen Ressourcen mit Wasser zu versorgen, haben dazu geführt, dass wir heute eine sehr resiliente Wasserversorgung haben. Letztlich muss es das Ziel sein, dass diese Resilienz mit den Maßnahmen, die politisch ergriffen werden, in Zukunft nicht kleiner wird. Derzeit ist die Gefahr jedoch durchaus da. Wir benötigen daher Anpassungsmaßnahmen, um diese Resilienz auch in den nächsten Jahrzehnten aufrechtzuerhalten oder auszubauen. Es gibt vor allem politischen Handlungsbedarf, weil sich die Erkenntnis, dass Extrem- ereignisse in Zukunft gemanagt werden e müssen, noch nicht überall durchgesetzt hat. Dr. Andreas Marx Dr. Andreas Marx ist promovierter Wasserbauingenieur. Im Rahmen seiner Promotion im Jahr 2007 an der Universität Stuttgart und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) beschäftigte er sich mit dem „Einsatz gekoppelter Modelle und Wetterradar zur Abschätzung von Niederschlagsintensitäten und zur Abflussvorhersage“. Seit 2009 ist er Leiter des Klimabüros am HelmholtzZentrum für Umweltforschung (UFZ) und seit 2014 Leiter des Deutschen Dürremonitors am UFZ. Darüber hinaus hat Marx seit 2021 die Leitung des Projektes „Wasserressourcen-Informationssystem für Deutschland (WIS-D)“ inne. ZUR PERSON 28 energie | wasser-praxis 08/2022 S O M M E R I N T E R V I E W

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