ewp_042022

O R G A N I S A T I O N & M A N A G E M E N T und dieses definiert sie viel enger als für CCU notwendig. Die in § 3 Nr. 6 KSpG geregelte Legaldefinition von „Kohlendioxidleitungen“ erfasst nur Leitungen, welche dazu dienen, Kohlendioxid zu einemKohlendioxidspeicher imSinne des KSpG zu transportieren. Ein Kohlendioxidspeicher wiederum ist gemäß § 3 Nr. 7 KSpG eine geologische Formation zum Zwecke dauerhafter CO2Speicherung. Da solche Leitungen keine Energieanlagen imSinne des EnWG sind, gelingt eine Verweisung auf das DVGW-Regelwerk in § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EnWGauchnicht auf diesemWeg. Gleichzeitig entfällt die Möglichkeit der Enteignung und Besitzeinweisung. Stattdessen gilt das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG). Konkret regelt § 65 Abs. 1 UVPG die Zulassung von Rohrleitungsanlagen, die in Nr. 19.3. bis 19.9 der Anlage 1 zumUVPG genannt sind. CO2-Rohrleitungen werden durch Nr. 19.4 für flüssiges bzw. Nr. 19.5 für gasförmiges CO2 erfasst. Problematisch ist, dass dieses gesetzliche Zulassungsregimenicht klar vorschreibt, nach welchem untergesetzlichen Regelwerk die technische Sicherheit von CO2-Leitungen zu bemessen ist. Eine Planfeststellung oder Plangenehmigung darf nur ergehen, wenn – u. a. – Vorsorge gegen die Beeinträchtigung der Schutzgüter, insbesondere durch bauliche, betriebliche oder organisatorischeMaßnahmen entsprechenddemStandder Technik getroffen wird (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) UVPG). Für Rohrleitungsanlagenwirdder Stand der Technik grundsätzlich auf Grundlage von § 66 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 UVPG durchdie Rohrfernleitungsverordnung (RohrFLtgV) festgelegt. Auf Grundlage von § 9 Abs. 5 RohrFLtgV gilt darüber hinaus die technische Regel für Rohrfernleitungsanlagen (TRFL in der Fassung vom3. Mai 2017, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 30. September 2020). Die Rohrfernleitungsverordnung gilt jedoch gemäß ihrem § 2 Abs. 2 Satz 1 (nur) für Rohrfernleitungsanlagen, in denen Stoffe befördert werden, die durch die in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 RohrFLtgV genannten Merkmale charakterisiert werden. Dies sind bestimmte brennbare Flüssigkeiten sowie Stoffe mit bestimmten Gefahrenmerkmalen oder R-Sätzen. CO2 weist keines dieser Merkmale auf. Inder Konsequenz fallen CO2-Rohrleitungen nicht in den Anwendungsbereichder Rohrfernleitungsverordnung, sodass diese insoweit auch keine Rechtsgrundlage für die TRFL bietet. Umgekehrt nennt die TRFL als ihren Geltungsbereich Errichtung, Betrieb, Änderung und Prüfung von Rohrfernleitungsanlagen imSinne der Rohrfernleitungsverordnung, undwie gezeigt ist § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RohrFLtgVwegen der Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf Rohrfernleitungsanlagen zum Transport bestimmter gefährlicher Medien bei genauer Betrachtung nicht anwendbar. EinStandderTechnikfürCO2-Leitungen lässt sich auch nicht der Gashochdruckleitungsverordnung (GasHDrLtgV) entnehmen. Diese gilt für Errichtung und Betrieb von Gashochdruckleitungen, die als Energieanlagen im Sinne des EnWG der Versorgung mit Gas dienen und für einen maximal zulässigen Betriebsdruck > 16 bar ausgelegt sind (§ 1 Abs. 1 GasHDrLtgV). Der AnwendungsbereichdieserVerordnung ist also schon deshalbnicht eröffnet, weil CO2-Leitungen keine Energieanlagen im Sinne des EnWG sind. In der Konsequenz müsste der anzuwendende Stand der Technik in jedem Einzelfall vomVorhabenträger aufwendig ermittelt, dargelegt und von der Zulassungsbehörde geprüft werden. Zwar ließe sich in Genehmigungsverfahren auf das vorhandene technische DVGW-Regelwerk verweisen – eine gesetzliche Vermutungswirkung gilt für dieses aber inBezug auf CO2-Leitungen nicht. Zulassungsbehörden und Einwender könnten daher andere oder weitergehende Nachweise fordern. Resultat wären Zeitverzug und Prozessrisiken, wennnicht sogar ein Scheitern des Projekts. Daraus resultieren deutliche Unsicherheiten, falls es zu gerichtlichenNachprüfungenkommt. Infolgedessen erwächst nicht nur ein Investitions-, sondern auch einHindernis für die zügige Dekarbonisierung vieler industrieller Prozesse, bei denen Kohlendioxidnachdemheutigen Standder Technik unvermeidbar entsteht – denn irgendwohin muss das CO2 ja. Lösungsvorschlag Damit Blick auf die drängenden Klimaziele kurzfristiger Handlungsbedarf besteht, der auch die Weiternutzung von CO2 als Ressource und damit den Transport von CO2 zwischen technischen Anlagen einschließt, bietet es sich an, den vorhandenen gesetzlichen Regelungsrahmen für Kohlendioxidleitungen auf Leitungen auszuweiten, die der sinnvollenWeiternutzung von CO2 dienen. Dafür bietet das KSpG einen sachlich einschlägigenRegelwerksrahmen, der aktuell aber nicht für eine aufWeiternutzung vonCO2 und damit ressourcenschonende bzw. abfallvermeidende Wirtschaft ausgerichtet ist. Ein sachlicher Grund, dieses Regelwerk nur zumEinsatz zu bringen, wenn eine Kohlendioxidleitung zu einem dauerhaften Speicherort anstatt zu einer sinnvollen Anschlussverwendung führt, ist nicht ersichtlich. Da der gesetzliche Rahmen für Kohlendioxidleitungen bereits vorliegt, erfordert eine Anpassung rechtstechnisch einen lediglich geringfügigen Eingriff, nämlich die Erweiterung der Legaldefinition in§ 3Nr. 6KSpG. Die bestehende Legaldefinition könnte etwa wie folgt ergänzt werden (Ergänzung kursiv): „Kohlendioxidleitungen: demTransport des Kohlendioxidstroms zu einemKohlendioxidspeicher, zu einer weiteren Verwendung für einen bestimmten Zweck oder als Teil eines Kohlendioxidleitungsnetzes dienende Leitungen einschließlich der erforderlichen Verdichter-, Pump- und Druckerhöhungs-, bzw. Druckminderungsstationen“. Dieser Vorschlag orientiert sich an der Regelung über das Ende der Abfalleigenschaft in § 5 Abs. 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG). Dadurch stellt er sicher, dass CO2-Leitungen nur zuge24 energie | wasser-praxis 04/2022

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