DVGW energie | wasser-praxis, Ausgabe 4/2023

werden aber nicht in der Breite von den Wasserversorgungsunternehmen genutzt. Den Praxispartnern wurde daher auch die Frage gestellt, was ihre Gründe für die Nicht-Nutzung am Markt vorhandener Tools sind. Für die Beantwortung standen fünf Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung, Mehrfachnennungen waren möglich. Die gegebenen Antworten sind in der Abbildung 3 dargestellt – wobei auch hier anzumerken ist, dass diese Antwortauswahl lediglich eine grobe Orientierung zeigt und nicht repräsentativ für die Wasserbranche ist. Als häufigste Antwort (67 Prozent) wurde angegeben, dass der Überblick über die vorhandenen Tools fehle. Etwas mehr als die Hälfte (53 Prozent) gab an, dass etablierte Prozesse und Gewohnheiten die Nutzung (neuer) digitaler Tools erschweren. Für 33 Prozent der Vertreter aus der Praxis wirken Funktionsumfang und die damit verbundene Einarbeitungszeit abschreckend. Hierzu wurde ergänzend angemerkt, dass das Verständnis der Algorithmen schwierig ist und das Finden eines Einstiegs kompliziert sein kann. Daher lautet hier die Empfehlung, lieber mit einer einfachen Lösung anzufangen und diese sukzessive auszubauen. Negativ auf die Einführung digitaler Tools wirkt sich auch die Unterschiedlichkeit der Anforderungen innerhalb eines Unternehmens aus. Diese Anforderungen müssen daher zunächst unternehmensintern präzisiert werden. Häufig werden spartenübergreifende Lösungen präferiert, was aber auch bedeutet, dass sich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Tools einarbeitenmüssen. Hier muss also eine organisatorische Herausforderung bewältigt werden. Als weitere Gründe wurden zum einen schlechte Vorerfahrungen in Form falscher Versprechungen der Hersteller angeführt. Zum anderen konnten keine integrierten Lösungen gefunden werden, die alle benötigten Funktionen umfassen. Erwartete Handlungsstränge und Entwicklungspfade Die Potenziale der Nutzung digitaler Tools und Instrumente im Asset-­ Management sind beachtlich. Welche Entwicklung kann sich diesbezüglich bei den Wasserversorgern ergeben? Um die Nutzungspotenziale für das eigene Unternehmen zu heben, kommt es darauf an, welche Ausgangsposition der Versorger hat. Hier könnenMehrspartenunternehmen anderen internen Vorgaben oder Rahmenbedingungen unterliegen als Einsparten-Wasserversorger. Auch die Unternehmensgröße scheint den Erfahrungsberichten der Praxispartner zufolge Einfluss auf denUmgang mit dem Thema Asset-Management zu haben; sie können offenbar weniger Ressourcen aufbringen, systematische und datenbasierte Ansätze zu verfolgen. Die zentralen Hemmnisse für die Nutzung digitaler Tools (Datenebene, Schnittstellenebene, Qualifikation der Anwenderinnen und Anwender)müssen hierfür überwunden werden. Hier kann es sich – ganz imSinne des agilenArbeitsansatzes – als möglicher Handlungsstrang anbieten, mit einfachen Lösungen zu einer ganz bestimmten Fragestellung zu starten und unabhängig davon, welches Hemmnis beschränkend erscheint, Erfahrungen zu sammeln. Auch selbst erarbeitete Insellösungen unabhängig von der Datenlage oder ausbaubaren Kenntnissen schaffen erste Erfolge und bauen intern Knowhow auf. Daher kann dies ein guter Ausgangspunkt für Unternehmen sein, die sich neu und mit begrenzten Mitteln orientieren wollen. In diesem Zusammenhang scheint ein „Stufenmodell“, startend bei einzelnen Insellösungen hin zu einer integrierten Lösung, ein zu erwartender Entwicklungspfad zu sein; dies auf Basis der Erfahrungen sowohl der Praxispartner als auch der Vertreterinnen und Vertreter der Projektbegleitgruppe. Langfristig sind Insellösungen in der Regel in Bezug auf ihren Pflege- und Unterhaltungsaufwand und auch ihre Ergebnisqualität zu komplex. Sie sind in vielen Fällen mit zu viel manueller Arbeit und häufig auch mit Problemen an Schnittstellen und Datenformaten oder -qualitätsanforderungen belegt, sodass sich ab einem gewissen Entwicklungsstand eher eine zentrale Gesamtlösung mit verschiedenenModulen zu Anlagen und Betrieb inklusive zugehöriger Workflows, ergänzt durch Spezialisten-Werkzeuge, anbietet. Schlussfolgerungen und Ausblick Der Einsatz unterstützender Software zum Asset-Management ist bei den Wasserversorgern gegenwärtig sehr heterogen. Die Bandbreite reicht von der Nutzung lokaler Einzellösungen – häufig auf Basis von Standardsoftware – bis hin zur nahezu vollständigen Abbildung von Asset-Management-Aufgaben durch Softwaretools oder umfangreiche modulare Softwaresysteme. Mittel- bis langfristig sollten Versorger in der Lage sein, datenbasiert und transparent Wissen über den Zustand ihrer Anlagen und Netze und deren Zustandsveränderung in der erforderlichen zeitlichen und räumlichen Auflösung zu erlangen und in die täglichen Betriebs- und Instandhaltungsaufgaben einfließen lassen zu können. Digitale Werkzeuge werden als Grundlage für die Vorhersage transparenter und datenbasierter Prognosen zukünftiger Entwicklungen unter Berücksichtigung gegebener Limitationen (z. B. Budgets, Zugänglichkeiten, verändernde Rahmenbedingungen, ggf. rechtliche Fragen etc.) gesehen. Sie unterstützen die Ermittlung bestmöglicher und wirtschaftlicher Entscheidungen für eine sichere Trinkwasserversorgung und eine langlebige Wasserinfrastruktur. Aus den Projekterkenntnissen lassen sich zwei grundlegende Handlungsstränge für Versorger ableiten: Neben der Etablierung von Gesamtlösungen mit verschiedenen Modulen zu Anlagen und Betrieb, ergänzt durch SpezialistenWerkzeuge, kann auch die Schaffung von Konnektivität durch geeignete Visualisierungs- und Analysewerkzeuge mit Live-Zugriff auf bestehende Anlagen- und Workflowdaten innerhalb des bestehenden IT- und Systemumfelds mit dezentralen Datenhaltungen helfen, das Asset-Management stärker zu digitalisieren. Die Digitalisierung von Stamm-, Prozess-, Umfeld- und Prognosedaten in der für das Analyseziel erforderlichen Auflösung kann datenbasierte Entschei60 energie | wasser-praxis 04/2023 F O R S C H U N G & E N T W I C K L U N G

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